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Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)

Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)

Titel: Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)
Autoren: Frank Schumann , Heinz Wuschech
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wir uns am 24. November 1989 in der Botschaft trafen. Allerdings stelle ich auch fest, dass gelegentlich Konföderation mit Kooperation verwechselt wird.«
    Konföderation oder Kooperation, Dichtung oder Wahrheit: Die Quelle Maximytschew kann offenkundig nur mit Vorsicht und nicht ohne kritische Einlassung zitiert werden. So auch bei den von ihm repetierten Überlegungen, welche man angeblich Unter den Linden über erwartete personelle Veränderungen an der Spitze der DDR angestellt habe. Diese korrespondieren zweifellos mit den Gedankenspielen in Moskau, im Wesen verhalten sich die Sowjetbotschaft und der Kreml wie kommunizierende Röhren. Die Meinungen gleichen sich wechselseitig aus und an, der Pegel ist stets identisch. Was in Moskau gesagt und gedacht wird, ist Meinung in Berlin – und umgekehrt. So wolle man laut Maximytschew denn zu einem sehr frühen Zeitpunkt als Nachfolger des Ministerpräsidenten Willi Stoph einen Staatssekretär aus dem Ministerium für Außenhandel ausgemacht haben. Als jahrzehntelanger Unterhändler der DDR verfügt dieser wie kein zweiter Politiker über beste Kontakte zu führenden Persönlichkeiten in der Bundesrepublik. Er hat bei ihnen einen guten Leumund, gilt als verlässlich und berechenbar.
    Diesem Alexander Schalck-Golodkowski vertraut man im Westen, und auch Moskau tut es: Er ist schließlich ein halber Russe. Sein leiblicher Vater war Rittmeister unterm Zaren. Er floh vor den Bolschewiki und bekam erst zu Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion die deutsche Staatsbürgerschaft. Als Hauptmann der Wehrmacht leitete Pjotr Golodkowski in Berlin eine Schule für Militärdolmetscher, im Sommer 1945 geriet er in sowjetische Kriegsgefangenschaft, danach galt er als verschollen. Politisch hat der Genosse Staatssekretär Alexander Schalck-Golodkowski zwar nichts mit seinem Vater am Hut, wohl aber viele slawische Elemente in sich: selbst die Neigung, ordentlich zu feiern. Was unschwer auch an seinem Habit auszumachen ist. Da wirkt er so barock wie sein im Vorjahr verstorbener Spezi Franz Josef Strauß, mit dem er – was in der Politik selten vorkommt, erst recht nicht, wenn man in politisch befeindeten Lagern steht – nahezu befreundet war. Das Haus der Familie Strauß stand und steht ihm jederzeit offen, hatten die erstaunten Geheimdienste auf beiden Seiten in Erfahrung gebracht.
    Für Moskau ist darum Alexander Schalck-Golodkowski als künftiger Ministerpräsident der DDR nicht nur bei Botschafter Kotschemassow, wie Maximytschew meint, eine gesetzte Größe. Allerdings weiß man auch, dass dieser – bei aller politischen Zuverlässigkeit – ein sehr kreativer Kaufmann ist. So erinnert man sich in Moskau etwa an 1982, als Staatssekretär Schalck-Golodkowski im Außenhandelsministerium um Erdöl verhandelte. Gemeinsam mit dem Generaldirektor der Intrac, der größten Handelsgesellschaft im Bereich Kommerzielle Koordinierung (KoKo), wollte er damals eine bestimmte Menge sofort beziehen und erst nach Jahresfrist den vereinbarten Preis zahlen. Das Öl sollte auf dem Weltmarkt gegen Devisen verkauft werden, damit die DDR wieder »flüssig« war. Doch das Politbüro der KPdSU bewilligte nicht 365 Tage Zahlungsaufschub, sondern nur neunzig. Offensichtlich hatte man Schalcks Absicht durchschaut. Auf der anderen Seite konnte man auch aus anderen Gründen nicht nachgeben. Erst wenige Monate zuvor hatte ZK-Sekretär Russakow in einem Gespräch mit Honecker in Berlin nebulös von einem »großen Unglück« gesprochen, das die Sowjetunion heimgesucht habe. Und er hatte die DDR aufgefordert, »die Folgen dieses Unglücks mit uns gemeinsam zu tragen«. Das sah dann so aus, dass die vertraglich zugesagte Lieferung von 19 Millionen Tonnen Erdöl um zwei Millionen gekürzt worden war …
    Allerdings widersprechen nicht wenige auch dieser Darstellung von Maximytschew. Schalck genoss in Moskau keineswegs hohes Ansehen, im Gegenteil: Nicht wenige sollen ihn wegen seiner nachweislichen kaufmännischen und politischen Erfolge im Westen gehasst haben, und es wird auch in Abrede gestellt, dass der Kreml ihn als Ministerpräsidenten ausgeguckt habe. Die Idee wurde zuerst in kleiner Runde in Berlin geboren, erst danach habe Krenz Kotschemassow diese Überlegung wissen lassen. »Er kennt sich in der Ökonomie aus und im Umgang mit der BRD. Beides brauchen wir.«
    Als die DDR-Volkskammer am 13. November 1989 jedoch nicht Schalck-Golodkowski, sondern Modrow zum Ministerpräsidenten wählt und mit der
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