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Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)

Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)

Titel: Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)
Autoren: Frank Schumann , Heinz Wuschech
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DDR-Ministerpräsident Schalck-Golodkowski
    Unweit der sowjetischen Botschaft, hinterm Brandenburger Tor, zieht sich die Staatsgrenze der DDR dahin. Vor jener Mauer, mit dem Säulentor im Rücken, erhebt sich ein steinernes Podest. Dort steigen die Staatsgäste der DDR hinauf, wenn sie denn einen Blick nach Westberlin zu werfen wünschen. So es sie drängt, können sie danach ihrer Überzeugung freien Lauf lassen und diese im Gästebuch der Grenztruppen, das in einem der Wachgebäude am Tor ausliegt, mitteilen. Wie etwa der Führer der Sowjetunion und Oberster Befehlshaber der Streitkräfte des Warschauer Vertrages am 26. April 1986. Michail Sergejewitsch Gorbatschow notierte dort: »Am Brandenburger Tor kann man sich anschaulich davon überzeugen, wie viel Kraft und Heldenmut der Schutz des ersten sozialistischen Staates auf deutschem Boden vor den Anschlägen des Klassenfeindes erfordert. Die Rechnung der Feinde des Sozialismus darf nicht aufgehen. Unterpfand dessen sind das unerschütterliche Bündnis der DDR und der UdSSR sowie das enge Zusammenwirken der Bruderländer im Rahmen des Warschauer Vertrages.
    Ewiges Andenken an die Grenzsoldaten, die ihr Leben für die sozialistische DDR gegeben haben.«
    Drei Jahre später nun trifft sich die Führung der sowjetischen Vertretung täglich zur Lagebesprechung. Der 70-jährige Botschafter Wjatscheslaw I. Kotschemassow pflegt enge Beziehungen zu Gorbatschow und Außenminister Schewardnadse, engere jedenfalls, als Diplomaten gemeinhin zu ihren Chefs unterhalten. Und auch sein Verhältnis zu den DDR-Spitzenpolitikern ist gut. Auf diese Weise und auch über andere Kanäle ist man im Haus Unter den Linden (und damit auch in Moskau) bestens über die Lage im Lande informiert. Und diese spitzt sich seit Monaten dramatisch zu, worüber sich die Sowjetdiplomaten jeden Morgen hinter geschlossenen Botschaftstüren austauschen.
    Es gibt objektive und subjektive Probleme, und dass an den objektiven Moskau nicht schuldlos ist, macht beispielsweise ein Gespräch von Dr. Herbert Krolikowski deutlich, welches dieser am 12. August 1989 führt. Der Staatssekretär im DDR-Außenministerium fragt zu bemerkenswert historisch früher Stunde den Pressechef des Moskauer Außenministeriums Gennadij I. Gerassimow, was Moskau im Schilde führe. »Wir bitten lediglich um eines – uns deutlich zu sagen, welche Absichten Sie uns gegenüber haben.
    Heute gibt es das sozialistische Deutschland. Die Frage ist, soll man es erhalten wie z. B. Österreich, oder auf den Moment warten, wo man sich der DDR entledigen kann? Die DDR ist unser Staat, wir haben ihn aufgebaut und lieben ihn. Unser westlicher Partner ist weder der dümmste noch der schwächste. Man sollte ihm das Erreichen seines Zieles, das nicht in einer Stärkung der DDR besteht, nicht erleichtern.
    Wenn Sie uns jedoch sagen, dass Sie uns nicht mehr brauchen, dass Sie den Frieden in Europa auch ohne uns sichern können, so werden wir uns bemühen, einen Ausweg aus der neuen Situation zu finden. Wir werden die frühere Konzeption der Konföderation in Deutschland wiederbeleben, Verhandlungen mit Bonn zu dieser Frage aufnehmen und um maximal günstige Bedingungen für die hier lebenden Menschen ringen.
    Sagen Sie uns offen, worin besteht Ihr Ziel, und wir werden dementsprechend handeln. Wir dramatisieren nicht, gedenken nicht in Weltschmerz zu verfallen. Aber man muss Schritte unternehmen, über die nächste und die weiteren Etappen nachdenken.«
    Diesem sehr offenen Gespräch, das keinerlei Zweifel am begründeten Zweifel über die Verlässlichkeit Moskaus lässt, wohnt der zweite Mann hinter Botschafter Kotschemassow bei. Er notiert, was er hört. Auch die täglichen Lagebesprechungen im kleinen Kreis. Igor F. Maximytschew wird sie zehn Jahre später in Moskau unter dem Titel publizieren: »Das Volk wird uns nicht verzeihen … Die letzten Monate der DDR. Tagebuch des Gesandten der Botschaft der UdSSR in Berlin«.
    Es gibt nicht wenige Zeitgenossen, die die Glaubwürdigkeit des Zeitzeugen Maximytschew grundsätzlich in Frage stellen. Und auch konkreter Widerspruch wird angemeldet. Egon Krenz, der an jenem 12. August 1989 als Honeckers Stellvertreter amtierte, beruft sich auf den ihm täglich von Herbert Krolikowski gelieferten außenpolitischen Lagebericht. »Vor November 1989 wussten alle führenden Leute bei uns, dass damals ein Konföderationsgedanke illusorisch gewesen ist. Er tauchte zum ersten Mal – nach Ulbricht – bei Falin auf, als
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