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Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)

Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)

Titel: Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)
Autoren: Frank Schumann , Heinz Wuschech
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Der Vater ihres Sohnes, Leonid, hatte sich der Roten Armee angeschlossen, was in mancher Darstellung so klingt, als habe er seine Angetraute Agnes und den Säugling sitzenlassen und hätte es vorgezogen, das Kommando über ein Kanonenboot der Roten auf dem Dnepr zu übernehmen statt seine Familie zu ernähren. Merke: Kommunisten sind nicht nur vaterlandslose Gesellen, sie haben auch keinen Familiensinn.
    In Danzig kamen sich unter dem Dach des Fischhändlers Wolkow Pjotr Golodkowski und Agnes Eue näher, doch eines Tages tauchte der verschollene Leonid in der Freien Stadt auf und berief sich auf die heiligen Sakramente der kirchlich geschlossene Ehe in Russland. Die Scheidung zog sich lange hin, 1929 aber konnten Agnes und – jetzt – Peter Golodkowski heiraten.
    Die Weltwirtschaftskrise erreichte irgendwann auch Danzig, die Firma Wolkow musste schließen. So zog 1930 das junge Glück weiter nach Berlin, wie seinerzeit viele russische Emigranten. Schwager Ernst Eue, inzwischen zu einem Direktor der Siemens-Schuckert-Werke aufgestiegen, mit Villa im noblen Westend und Mietshaus in Treptow, griff den Verwandten aus dem Osten unter die Arme. Er überließ ihnen eine Wohnung in seinem Mietshaus und half wohl auch bei der Übernahme eines Feinkostladens in Moabit. Doch den Berlinern stand in der Krise nicht der Sinn nach Hummer und russischem Kaviar, weshalb das Geschäft bald pleite ging. Daraufhin schlug sich Peter Golodkowski als Taxifahrer durch, seine Frau verdiente etwas als selbständige Masseuse.
    In jener schweren Zeit, am 3. Juli 1932, einem Sonntag, kam Alexander Golodkowski zur Welt, »Schura«, wie er von den Eltern genannt wurde.
    In jenem Jahr, das gemeinhin als das letzte der Weimarer Republik bezeichnet wird, zählte Deutschland mehr als sechs Millionen Arbeitslose, wurde der Österreicher Adolf Hitler deutscher Staatsbürger und der Reaktionär Paul von Hindenburg Reichspräsident, vor dem die KPD treffend, aber folgenlos warnte: Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler. Und wer Hitler wählt, wählt den Krieg. In jenem verhängnisvollen Jahr wechselten die Reichskanzler in rascher Folge. Nach Brüning, von Papen und von Schleicher wurde schließlich am 30. Januar 1933 dem Naziführer die Macht übergeben. Die einen meinten, er werde rasch abwirtschaften wie seine Vorgänger, man solle ihn darum gewähren lassen. Die anderen, und deshalb halfen sie ihm auch in den Sattel, hofften auf Steigerung ihrer Profite oder, im Falle der Militärs, auf Befreiung ihrer seit Versailles andauernden Untätigkeit.
    Und die Masse der Deutschen, die dem Nazipack am 5. März 1933 die Stimme gab – 43,9 Prozent wählten NSDAP – hofften auf bessere Zeiten.
    Diese brachen auch für die Golodkowskis an.
    Aber erst nach Kriegsbeginn, insbesondere nach dem Überfall auf die Sowjetunion im Sommer ’41, verbesserte sich die soziale Lage der Familie deutlich. Inzwischen zum Seifenvertreter heruntergekommen, rief die Wehrmacht auch Peter G. zu den Waffen. Der Ex-Offizier des Ersten Weltkrieges wurde als Dolmetscher gebraucht und gleich als Hauptmann in die Uniform gesteckt. Damit schien der Mittvierziger seine eigentliche Erfüllung gefunden zu haben, denn es wird berichtet, dass er sehr schneidig auftrat und auch sonst eine »gute Figur« in der deutschen Uniform machte. Das hing wohl auch damit zusammen, dass ihm – dem bisher Staatenlosen – endlich wieder eine Staatsangehörigkeit zuerkannt worden war. Seine bis dahin unternommenen Versuche, einen deutschen Pass zu bekommen, waren nämlich ausnahmslos gescheitert.
    Selbst der Weg über eine Adoption durch ein kinderloses deutsches Ehepaar hatte nicht zum erhofften Erfolg geführt. Aber die Familie kam so zu ihrem Doppelnamen. Entfernte Verwandte von Agnes G., nämlich Anna und Friedrich Schalck, übernahmen die Vormundschaft über alle drei Golodkowskis.
    Allerdings erst als Hitlerdeutschland Kanonenfutter brauchte, bürgerte man Staatenlose wie Peter Golodkowski und Alexanders Bruder Slawa in die deutsche Volksgemeinschaft ein.
    Hauptmann Peter Schalck-Golodkowski leitete bis zu deren Auflösung bei Kriegsende die russische Dolmetscherschule der Wehrmacht in Berlin-Moabit.
    Die Schalck-Golodkowskis führten ein offenes, gastfreundliches Haus, was angesichts ihrer russischen Herkunft nicht überrascht. Obgleich nie viel in der Haushaltskasse war, wurde gern im großen Kreis gegessen, getrunken, gesungen und getanzt. Nicht zufällig waren die meisten Gäste Emigranten aus dem
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