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Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)

Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)

Titel: Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)
Autoren: Frank Schumann , Heinz Wuschech
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Osten wie sie. Daheim in Treptow sprach man grundsätzlich nur russisch miteinander, den Sohn rief man nur »Schura«, das war die russische Koseform von Alexander.
    Das alles hat zweifellos Alexander Schalck-Golodkowski erheblich geprägt.
    Etliche lesen aus diesem biografischen Hintergrund ein großbürgerliches Leben heraus und verweisen auf die traditionsreiche, weltläufige Kaufmannsfamilie der Mutter und auf die russische Aristokratenlinie des Vaters. Wohl wahr, ein proletarischer Stammbaum sieht anders aus. Doch man sollte auf dem Teppich bleiben: In den 30er Jahren waren diese Vorfahren längst schon Geschichte und taugten kaum als Ausweis für eine vermeintlich bourgeoise Vita des »Devisenbeschaffers«.
    Was aber unbestritten ist: Das kaufmännische, unternehmerische Talent wurde ihm tatsächlich in die Wiege gelegt. Er war ein begnadeter Händler und, was seine besten Freunde behaupten, kein Politiker, wiewohl Wirtschaft und Politik doch stets eng miteinander verflochten sind. Alexander Schalck-Golodkowski, gewiss, ließ sich für politische Aufgaben in die Pflicht nehmen, da war er verlässlicher Parteiarbeiter, aber wenn es sich einrichten ließ, dann habe er sich vor deren Übernahme gedrückt, sagen jene, die sein Innenleben kennen. Selbst als er Krenz am 17. Oktober 1989 – also noch vor der Wahl zum Generalsekretär – darum bat, unmittelbar nach dessen Amtsübernahme Kontakt zum Chef des Bundeskanzleramtes aufnehmen zu dürfen, ging es nicht primär um Politik, sondern um die Finanzierung von Westreisen. Bonn sollte wissen: Reisen kostet, Westreisen besonders. Schalck rechnete Krenz vor: 1988 waren 7,2 DDR-Bürger in der BRD und in Westberlin – nimmt man den statistischen Durchschnitt von Reisedauer (eine Woche) und Aufenthaltskosten (500 D-Mark), macht das rund 3,5 Milliarden per anno. Das kann sich die DDR nicht leisten. Allein die Zahlungen der Deutschen Reichsbahn an die Bundesbahn würden von 160 auf 500 Millionen im Jahr steigen …
    Nein, ein Politiker war Schalck nicht, und er wäre es auch nie geworden, selbst wenn man ihn zum Ministerpräsidenten der DDR oder zum Wirtschaftssekretär des ZK der SED gemacht hätte.

Kontinuität und Klassenkampf
    Die antifaschistisch-demokratische DDR – als Reaktion auf die Gründung eines westdeutschen Separatstaates in der sowjetischen Besatzungszone konstituiert – erfährt im dritten Jahr ihrer Existenz mehrere Zäsuren. Im Juni 1952, auf der 2. Parteikonferenz der SED, wird der Aufbau der Grundlagen des Sozialismus proklamiert, was mit der Auflösung der fünf Länder und der Bildung von vierzehn Bezirken verbunden ist. Der östliche Teil Berlins, sowjetischer oder auch demokratischer Sektor genannt, bleibt Hauptstadt, obgleich Berlin als Ganzes den Vier Mächten unterstellt ist, weshalb weder der Westteil zur Bundesrepublik gehört – worüber in der Folgezeit die Sowjetunion und die DDR aufmerksam wachen – noch der Ostteil zur DDR, weshalb zum Beispiel auf der einen Seite Abgeordnete nicht direkt in den Bundestag gewählt werden dürfen und auf der anderen keine unmittelbar in die Volkskammer. Wenn die DDR in ihrer Hauptstadt eine Parade abhält, protestieren regelmäßig die Westmächte, weil damit gegen den entmilitarisierten Status der Stadt verstoßen wird. Und tritt der Bundestag demonstrativ im Reichstag zusammen, protestiert die Sowjetunion, weil Westberlin nicht von Bonn aus regiert werden darf, denn schließlich liegt die Halbstadt auf dem Territorium ihrer Besatzungszone. Diese wurde nicht, wie gelegentlich behauptet, gegen Thüringen und die Altmark getauscht, welche im Frühjahr 1945 von Amerikanern und Briten befreit worden waren, sondern von den Großen Drei auf der Konferenz in Jalta zum Sitz des Alliierten Kontrollrates bestimmt. Daher wurde den vier Mächten auch jeweils ein Sektor zugestanden – der Sowjetunion die östliche Stadthälfte, weil sie die Hauptlast des Krieges getragen und Berlin befreit und besetzt hatte, den Amerikanern, Briten und Franzosen jeweils ein Drittel der westlichen Hälfte. Aus dieser Konstellation wächst viel Ungemach in den folgenden Jahrzehnten, was nur mit dem Hinweis zu erklären, vielleicht auch zu entschuldigen ist: Alle Siegermächte hielten das lediglich für eine temporäre Lösung, für einen befristeten Übergang – kaum einer ging davon aus, dass die Verbündeten schon bald zu Feinden werden würden. Letztlich sollte sich jedoch bestätigen, dass die Klasseninteressen doch
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