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Schängels Schatten

Titel: Schängels Schatten
Autoren: Oliver Buslau
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rüber nach Moselweiß. Anita Hoffmann verfolgt ihn und treibt ihn in die Enge. Sie bedroht ihn mit der Waffe, und ein Schuss löst sich. Ramann fällt samt dem Geld in die Mosel.«
    »Warum fällt jemand über eine Brüstung, wenn auf ihn geschossen wird?«
    Nickenich sah in seine Unterlagen. »Sie hat ausgesagt, er sei stehen geblieben und habe sich über das Geländer gebeugt, den Koffer in der Hand. ›Entweder du verschwindest, oder ich lasse den Koffer fallen.‹ Das soll er gesagt haben. Als sich dann die Kugel löste und ihn traf, verlor er das Gleichgewicht. Wenn Sie mich fragen – ich glaube, dass sie absichtlich geschossen hat. Danach hat sie jedenfalls versucht, das Geld zu bergen.«
    »Doch daran haben wir sie gehindert – Carola und ich.«
    »Ganz genau. Und so geht die Geschichte weiter: Sie beobachtet, wie zwei Jugendliche die Leiche finden, und flieht – angeblich in Panik. Als zwanzig Jahre später die Journalistin Carola Zerwas Recherchen anstellt, den Zusammenhang zwischen Denkmal, Nair, Ramann und ihr bemerkt und sie aufsucht, kommt Anita Hoffmann auf die Idee, dass es sich bei Carola Zerwas um die Jugendliche von damals handeln könnte. Je öfter sie sich unterhalten, desto mehr festigt sich der Verdacht. Ihr wird klar: Carola Zerwas ist eine Zeugin, die ihr gefährlich werden kann. Sie ermordet sie. Sie kann sich ausrechnen, dass man sie als Verdächtige kaum in Betracht ziehen wird, denn es gibt offiziell keinen Zusammenhang. Kein Motiv. Und sie hat noch die alte Waffe. Die Pistole stammt übrigens von Ramann.«
    »Ein Glück, dass das Ding im entscheidenden Moment versagt hat. Sonst hätte ich Anita erschossen.«
    Nickenich sah überrascht auf. »Die Pistole hat nicht versagt. Das Magazin der P 1 fasst genau fünf Schuss.«
    Mike begann zu zählen. »Ramann, Carola. Und dann? Einen auf mich. Das heißt auf mein Auto. In Oberwerth. Und ein Schuss am Langendorfer Feld.«
    »Das stimmt nicht«, sagte Nickenich. »In Oberwerth wurde zweimal geschossen. Haben Sie zumindest gesagt.«
    Mike nickte. »Das ist richtig. Kein Wunder, dass sich Anita genau überlegen musste, wie sie mich loswird. Wenn sie irgendwie versucht hätte, neue Bundeswehrmunition zu bekommen, hätte sie sich vielleicht verdächtig gemacht. Der fünfte Schuss war sicher für Wenzes bestimmt. Als ich dann auftauchte, reservierte sie ihn für mich.«
    »So könnte es gewesen sein.«
    »Hat sie Ihnen die ganze Geschichte so genau erzählt?«
    »Sie war sehr gesprächig. Außerdem haben wir die Kollegen in Los Angeles um Hilfe gebeten. Mr. Nairs Tochter, Deborah Nair, war ziemlich kooperativ. Es hat sich herausgestellt, dass Mr. Nair tatsächlich 1982 eine Million Dollar von einem Konto abgehoben hat. Er hat sich das Geld in bar auszahlen lassen.«
    »Er hat jahrelang mit dem Gefühl gelebt, von den Deutschen betrogen worden zu sein«, sagte Mike. »Als die Sache mit dem Deal in Wallersheim schief ging, hat sich dieser Eindruck noch gefestigt. Nair wusste sicher gar nicht, dass sein Sohn bei der Sache ums Leben gekommen war. Er dachte, Ramann hätte ihn verraten. Und als er dann das wiederauferstandene Denkmal gesehen hat …«
    »… dachte er, es sei das echte. Das alte. Er dachte, die Deutschen hätten ihn schon wieder übers Ohr gehauen. Und da regte sich sein alter Kampfgeist. Wenn auch mit etwas merkwürdigem Ergebnis.«
    »Hat er denn nie versucht herauszufinden, was aus der Million geworden ist?«
    »Das wissen wir nicht. Wenn er etwas unternommen hat, wird er keinen Erfolg gehabt haben. Nach dem Denkmal hat er übrigens auch früher schon gesucht. I960, als er in Koblenz war und Frau Ramann kennen lernte. Dass das Denkmal 1993 wieder aufgestellt wurde, ging völlig an ihm vorbei. Seine Tochter sagt, er sei 1993 sehr krank gewesen.«
    »Und wie geht es ihm?«, fragte Mike.
    Nickenich zuckte mit den Achseln. »Er hat einen Schwächeanfall erlitten. Er ist nicht vernehmungsfähig.«
    »Und jetzt sagen Sie mir doch noch, wo Sie Anita festgenommen haben.«
    »Sie lag mit ein paar Prellungen am Fuß der Ehrenbreitsteiner Wand.«
    »Was?«
    »Während Sie versuchten, Nair am Schießen zu hindern, wollte sie das Geld bergen. Die Rakete ist an der Wand eingeschlagen, und dabei ist Anita Hoffmann abgestürzt.«
    »Kann ich mit ihr sprechen?«
    »Mal sehen. Auf jeden Fall sehen Sie sie in der Gerichtsverhandlung wieder.«
    Mike dachte nach. »Die Sache mit dem Geld ist merkwürdig. Es ist doch bei Licht betrachtet völlig
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