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Schachfigur im Zeitspiel

Schachfigur im Zeitspiel

Titel: Schachfigur im Zeitspiel
Autoren: Philip K. Dick
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Bedeutung mehr hatte, ihnen jedoch von der Tradition aufgezwungen wurde. Und seine Frau hatte klassisches Griechisch gelernt, um das kulturelle Erbe zu wahren. Das jedenfalls, sagte er sich, wäre somit gelöst. Sie haben ihre eigene synthetische Sprache. Und dies hier ist sie.
    Doch was ich zunächst brauche, entschied er, ist ein Versteck. Solange ich mich orientieren muß, benötige ich einen Platz zum Atemholen, wo ich weniger verwundbar bin. Die dunklen und stillen Gebäude ringsum sahen verlassen aus. Am Ende der Straße wiesen eine Vielzahl von Lichtern und winzige, ferne Gestalten auf ein belebteres Viertel hin, ein kommerzielles Viertel mit Geschäften, die ungeachtet der späten Stunde geöffnet hatten.
    Eine schwache Straßenlaterne erhellte den Weg vor ihm, als er vorsichtig zwischen den neben einer Laderampe angehäuften, weggeworfenen Kartons hindurchging. Unerwartet stolperte er über ein paar Abfallkanister, aus denen ein gedämpftes Wühlen hörbar wurde. Der überquellende Abfall bewegte sich, und er entdeckte, daß er durch das Anstoßen der Kanister den Mechanismus wieder in Gang gesetzt hatte. Ohne Zweifel sollte dieser automatisch funktionieren und den Abfall so schnell beseitigen, wie er hineingeschaufelt wurde, doch offensichtlich befand sich der Mechanismus in keinem guten Zustand.
    Eine Treppe aus Zementstufen führte zu einer Tür hinunter. Er stieg hinab und probierte die rostige Türklinke. Natürlich verschlossen. Wahrscheinlich ein Lagerraum.
    Im Halbdunkel kniete er sich hin, öffnete seinen Instrumentenkoffer und holte das chirurgische Besteck heraus. Die Energiezufuhr war autark, und er schaltete sie ein. Die Basiswerkzeuge leuchteten auf: Bei Notoperationen spendeten sie genügend Licht, um dabei arbeiten zu können. Geschickt steckte er eine Schneidklinge in die Fassung des Arbeitsgetriebes und spannte sie fest. Schwach winselnd schnitt die Klinge in das Türschloß. Er stellte sich dicht davor, um das Geräusch zu dämpfen.
    Die Klinge kam knirschend frei, und das Schloß war aus der Tür herausgeschnitten. Hastig baute er die chirurgischen Werkzeuge auseinander und stopfte sie in den Instrumentenkoffer zurück. Mit beiden Händen zog er vorsichtig an der Tür.
    Sie quietschte in ihren Scharnieren und glitt auf.
    Jetzt habe ich also ein Versteck, dachte er. In seinem Koffer hatte er eine ganze Anzahl von Hautpräparaten für die Behandlung von Verbrennungen. Schon hatte er in Gedanken eine Kombination von antiseptischen Sprays ausgewählt, die ihm einen dunkleren Teint bescheren würden. Damit konnte er seine Hautfarbe soweit abdunkeln, daß sie nicht mehr von derjenigen der hier lebenden Menschen zu unterscheiden sein würde.
    In plötzlichem hellen Licht stand er blinzelnd da. Es war also doch kein verlassener Lagerraum. Warme Luft begrüßte ihn, Essensgeruch drang ihm in die Nase. Ein Mann stand mit einer Karaffe in der Hand da, mitten in der Bewegung erstarrt, einer Frau etwas Trinkbares einzugießen.
    Sieben oder acht Leute sahen ihn an. Sie saßen in Sesseln, ein Paar stand. Sie betrachteten ihn gelassen, ohne Überraschung. Offenbar hatten sie ihn bemerkt, als er das Schloß herausgeschnitten hatte. Sie hatten ihn gehört, wie er draußen an der Arbeit gewesen war.
    Der Mann schenkte der Frau den Drink vollends ein. Jetzt erhob sich ein dumpfes Redegemurmel. Seine Anwesenheit – seine Art des Eindringens – schien diese Leute überhaupt nicht zu beunruhigen.
    Eine Frau, die in seiner Nähe saß, sagte etwas zu ihm. Das melodische Fließen von Worten wiederholte sich mehrere Male. Aber er konnte deren Sinn nicht begreifen. Die Frau lächelte ohne Groll zu ihm hinauf, sprach erneut, doch jetzt langsamer. Er verstand ein Wort, dann ein anderes. Sie teilte ihm bestimmt, aber höflich mit, daß es seine Pflicht war, das Türschloß zu ersetzen.
    »… und bitte verschließen Sie sie«, endete sie. »Die Tür.«
    Verwirrt griff er hinter sich und zog die Tür zu.
    Ein adrett aussehender Jugendlicher, der sich zu ihm vorbeugte, sagte: »Wir wissen, wer Sie sind.« Wenigstens interpretierte Parsons seine Erklärung so.
    »Ja«, sagte ein anderer Mann. Mehrere von ihnen nickten.
    Die Frau nahe der Tür sagte: »Sie sind der …« Es folgte ein Wort, das für ihn keinen Sinn ergab. Es hatte einen vollkommen künstlichen Klang, war wohl eher Jargon als Sprache.
    »Das stimmt«, echote ein anderer. »Genau der sind Sie.«
    »Aber es macht uns nichts aus«, erklärte ein Junge.
    Dem
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