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Samuel Carver 01 - Target

Samuel Carver 01 - Target

Titel: Samuel Carver 01 - Target
Autoren: Tom Cain
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besten konnte. Und egal wie oft er auch darüber nachdachte aufzuhören, er wollte einfach nicht, dass ein Konkurrent seine Arbeit übernähme. Eines Tages, vielleicht schon bald, würde er sich zurückziehen, aber nach seinen Bedingungen und zu einem Zeitpunkt, den er selbst bestimmte.
    »Neuseeland«, sagte er.
    Er verfluchte sich selbst, als er auf ›Auflegen‹ drückte und das Telefon auf den nackten Holztisch neben dem Metallbett mit der Segeltuchbespannung legte, wo er den Schlafsack ausgebreitet hatte.

    Samuel Carver besaß das schlanke, geschmeidige Aussehen eines ausgebildeten Kämpfers. Seine dunkelbraunen Haare waren kurz. Zwölf Jahre bei den Royal Marines hatten ihm ein wettergegerbtes Gesicht beschert, und seine kräftige dunkle Stirn, die eine Konzentrationsfalte teilte, zeugte von grimmiger Entschlossenheit. Doch die klaren grünen Augen legten nahe, dass seine körperliche Stärke von einer ruhigen, kühlen Intelligenz beherrscht wurde.
    Carver versuchte, sein Tun mit Vernunftgründen zu rechtfertigen, indem er es als eine Form der Seuchenbekämpfung ansah: unerfreulich, aber notwendig. Nach dem Visar-Auftrag hatte er wie immer nach einem Ort gesucht, um auszuspannen und einen Gedanken von sich fernzuhalten, den er nicht mochte: dass jede weitere Tötung, ganz gleich, wie viele Menschenleben dadurch gerettet wurden, ganz gleich, wie schlüssig sie zu rechtfertigen war, seine Seele ein klein wenig mehr auffraß.
    Carver war am anderen Ende der Welt gelandet, im Süden Neuseelands, in den Two-Thumb-Bergen. Die Two Thumbs stammten noch aus der Zeit von Pangäa, wo die Kontinente noch eins gewesen waren und die beiden Gipfel zur selben Bergkette wie die Anden und die kalifornischen Sierras gehört hatten. Seitdem waren die Gebirge mehrere tausend Meilen weit auseinandergedriftet. Ansonsten hatte sich nicht viel verändert. Es gab keine Nachtclubs oder Restaurants, keine Zimmermädchen und weder Zeitungen noch Fernseher. Es gab auch keine Lifte, Skilehrer und Idiotenhügel. Für Carver genau das Richtige.
    Er hatte die völlige Einsamkeit gesucht und ein Leben, das auf das Einfachste reduziert war. Er wollte den Schatten des Todes mit roher Geschwindigkeit und körperlicher Anstrengung loswerden, bei leerem Himmel, blendendem Sonnenschein und einer Luft, die so kalt und rein war wie Wodka aus dem Eisfach. Carver hatte sich seit einer Woche nicht rasiert. Gewaschen hatte er sich auch nicht viel. Wahrscheinlich stank er wie ein Rhinozeros. Aber warum sollte ihm das nicht egal sein? Es war schon lange her, seit er für jemanden hatte gut riechen wollen.
    Der Hubschrauber kam von Osten her in den ersten blassen Sonnenstrahlen, bevor der letzte Stern untergegangen war. Carver sah ihn weit weg zwischen dem blauschwarzen Himmel und dem Puderzuckerschnee. Packen war nicht nötig. Unter seiner Skijacke trug Carver einen schwarzen Nylongeldgürtel. Die Fächer enthielten vier verschiedene Reisepässe mit je zwei dazu passenden Kreditkarten. Außerdem hatte Carver ein Ersatztelefon und zwanzigtausend Dollar in bar. Gold Cards waren ja gut und schön, aber Carver musste nirgendwohin, wo die US-Lappen nicht genommen wurden.
    Schnee wirbelte durch die Luft, als der Hubschrauber fünfzig Meter entfernt landete. Carver sah zu, wie er aufsetzte. Verdammt noch mal, schon wieder eine Bell. Ihm schoss das Bild von der abstürzenden Jetranger durch den Kopf, und er meinte, das Entsetzen beinahe selbst zu erleben. Eine Sekunde lang schloss Carver die Augen und brummte: »Reiß dich zusammen.« Dann zog er den Jackenreißverschluss ein Stück auf und näherte sich dem Hubschrauber mit lockerem Gang, aber wachsam.
    »Morgen!«, schrie der neuseeländische Kopilot über das Rattern der Rotorblätter hinweg. Er streckte den Arm raus und zog Carver an Bord. »Es hieß, wir sollen Sie entweder aufklauben oder umbringen. Freut mich, dass Sie Punkt A angekreuzt haben.«
    Das Lächeln des Kopiloten war breit, erreichte aber nicht seine Augen.
    Carver grinste zurück und machte das Spiel mit. »Freut mich auch«, schrie er. »Sie wären womöglich verletzt worden.« Er ließ sich in seinen Sitz sinken, schnallte sich an, setzte das Headset auf und seufzte. So viel zum Thema Urlaub. Carver hatte nicht mal Zeit gehabt, eine anständige Tasse Kaffee zu trinken, und steckte schon wieder knietief in der Scheiße.
    Er rieb sich die Stirn. Eine Woche lang war er nur Ski gefahren und hatte geschlafen. Eigentlich hätte er jetzt ausgeruht und
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