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Samuel Carver 01 - Target

Samuel Carver 01 - Target

Titel: Samuel Carver 01 - Target
Autoren: Tom Cain
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in einer eigenen Welt zu leben. Er redete vor sich hin, während sein Körper einem unbewussten, aber zwingenden Ritual von zuckenden Bewegungen folgte. Er schenkte den Ereignissen auf dem Bildschirm keine Beachtung.
    Acht junge Soldaten in leuchtend roten Uniformröcken trugen einen Sarg, der in ein ruhmreiches Wappenbanner gehüllt und mit weißen Blütenkränzen bedeckt war, durch das Mittelschiff einer mächtigen Kathedrale. Der Sarg nahm seinen Weg zum Altar, und die Gemeinde stimmte die langsame, klagende Eingangsmelodie der britischen Nationalhymne an. Als die Stimmen zum Höhepunkt der Strophe aufstiegen und das triumphierende »Send her victorious!« sangen, wurde der Patient plötzlich still, straffte die Schultern und richtete den Blick auf den Bildschirm.
    Er runzelte die Stirn. Man sah jetzt ein älteres Paar, einen Mann in mittleren Jahren und zwei halbwüchsige Jungen in schwarzen Anzügen. Der Patient schloss die Augen und fing an, sich mit beiden Händen am Kopf zu kratzen. Die Bewegungen hatten etwas Manisches, desgleichen die Plötzlichkeit, mit der sie aufhörten, als sich seine Aufmerksamkeit wieder auf den Bildschirm richtete. Kurz darauf wandte er den Blick ab und fuhr fort sich zu kratzen.
    Der Patient war ein relativ junger Mann, der keine Merkmale körperlicher Erkrankung oder Fehlernährung trug. Er war nur mit einer Schlafanzughose und einem weißen T-Shirt bekleidet, und es war offensichtlich, dass er schlank, muskulös und körperlich fit war. Doch an den Hand- und Fußgelenken hatte er rote Schürfmale und Blutergüsse, die darauf hinwiesen, dass er Fesseln getragen hatte, und er hatte das geschwollene, verfärbte Gesicht eines Raubüberfallopfers.
    Das alles waren jedoch nur oberflächliche Verletzungen, von denen sich ein Mann seines Alters und seiner Konstitution rasch erholen würde. Seine Augen gaben mehr Anlass zur Sorge. Er hatte eine dumpfe Leere im Blick, als würde es ihm schwerfallen, sich auf seine Umgebung zu konzentrieren, und noch schwerer, zu begreifen, was er sah.
    Die Pflegerinnen sprachen ihn mit Samuel an.

    Aliks Petrowa musste vor dem Eingang des Sanatoriums einen Augenblick stehen bleiben. Seit sie und Thor Larsson ihn vor zwei Tagen in diese abgeschiedene, ungewöhnlich diskrete und sehr teure Einrichtung gebracht hatten, war sie jeden Morgen und jeden Abend bei ihm gewesen. Dennoch musste sie sich jedes Mal davor wappnen, was sie drinnen erwartete.
    Die Dame an der Rezeption begleitete sie zum Aufenthaltsraum. Als sie durch die Glastür in den luftigen Raum trat, begegnete sie einer Schwester. Am Kragen des gestärkten weißen Kittels stand »Corinne Juneau«.
    »Wie geht es Samuel heute?«, fragte Aliks.
    »Ein bisschen besser«, antwortete Schwester Juneau. »Wir haben ihn zum Aufstehen überredet, aber er ist noch sehr verwirrt, der Arme. Sehen Sie nur, wie er auf den Fernseher starrt. Ich glaube nicht, dass er weiß, was da gezeigt wird, der Gute.«
    Sie schaute einen Moment lang zu ihrem Patienten hinüber, dann sagte sie: »Er hat so viel Angst …« Ihr freundliches Gesicht verdüsterte sich. »Wie kann nur ein Mensch einem anderen so etwas antun?«
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