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Samuel Carver 01 - Target

Samuel Carver 01 - Target

Titel: Samuel Carver 01 - Target
Autoren: Tom Cain
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nicht hinzuhören. Es war einfach zu schrecklich. Darum dauerte es ein paar Sekunden, bis sie verstand, was Juri gerade gesagt hatte. Er beschrieb Carvers Tod. Ihr Gebet war nicht erhört worden. Es war wie ein Messerstich ins Herz. Sie konnte nicht atmen. Sie rang nach Luft.
    »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte Juri.
    Sie nickte und lächelte entschuldigend. »Verzeih. Es geht mir gut. Erzähl mir den Rest der Geschichte.«
    Er nahm eine ihrer Brüste in die Hand und strich, den Blick auf ihr Gesicht gerichtet, mit dem Daumen nachdenklich über die Brustwarze. Als sie leise aufkeuchte, verzog er keine Miene.
    »Wie schon gesagt«, fuhr er fort, »hatten sie alle die Waffe in der Hand. Aber die waren mit Platzpatronen geladen. Sie gaben eine ganze Salve auf Carver ab. Er kauerte sich an die Wand und brauchte eine volle Sekunde, bis er begriff, dass er noch am Leben war. Da hat er sich bepisst wie ein Tier. Also habe ich ihn natürlich gezwungen, auf allen Vieren durch seinen Urin zu kriechen. Das war recht befriedigend.«
    Carver lebte! Aliks konnte sich gerade noch zusammenreißen, um nicht von Juri herunterzurollen und sich erleichtert auf dem Bett auszustrecken. Doch in ihre Freude mischte sich ein guter Schuss Wut und Scham über die Qualen, die er ihretwegen erdulden musste.
    »Wo ist er jetzt?«, fragte sie und hob den Kopf von Juris Brust.
    »Wieder in seinem gemütlichen Lieblingsstuhl«, antwortete Juri.
    Aliks wusste, was das hieß. Juri hatte ihr die Folterkammer im Keller gezeigt, die gerade vorbereitet wurde. Das war ein Test ihrer Loyalität gewesen, und auch eine Warnung. Die unausgesprochene Botschaft war klar: Auch du kannst auf diesem Stuhl enden.
    Aliks versuchte, ruhig zu klingen. »Wird er die Nacht überleben?«
    Plötzlich wurde Juris Blick hart. Seine misstrauischen Augen funkelten im Halbdunkel des Schlafzimmers. »Warum fragst du? Du scheinst um ihn besorgt zu sein.«
    Aliks zwang sich zu lachen. »Natürlich! Ich will nicht, dass er schon stirbt. Ich möchte lange und ungestört schlafen. Morgen früh hätte ich gern ein kleines Frühstück im Bett. Dann nehme ich ein Bad, ziehe mich an …«, sie legte sich wieder hin, sodass sie ihm ins Ohr flüstern konnte, »meine aufregendsten neuen Kleider …«, sie legte noch eine Pause ein, »und dann möchte ich nach unten gehen und mit eigenen Augen sehen, wie er stirbt, direkt vor mir. Und ich will, dass er leidet.«
    Juri stieß ein hartes, gackerndes Lachen aus und gab Aliks einen Schlag aufs Hinterteil. »Du bist wirklich eine Schlimme. Das muss der Grund sein, weshalb ich bei dir immer gleich hart werde.«
    Voller Selbsthass ließ Aliks sich vögeln und tat, als würde es ihr Spaß machen. Dann blieb sie reglos liegen, bis er eingeschlafen war. Am liebsten, oh, am allerliebsten hätte sie Juri auf der Stelle umgebracht, ihm ein Kissen auf sein selbstgefälliges Gesicht gedrückt, bis er erstickte. Doch er würde womöglich dabei aufwachen und sich wehren. Sie konnte es sich jetzt nicht leisten, wieder zu unterliegen.
    Im Nachttisch auf Juris Bettseite lag eine Pistole. Langsam – Aliks wagte kaum zu atmen und horchte gebannt auf jedes Geräusch – zog sie die Schublade auf und nahm die Waffe heraus. Es war eine Sig Sauer, wie Carver sie benutzte. Die beiden Männer in ihrem Leben hatten also doch etwas gemeinsam.
    Die roten Leuchtziffern des Weckers zeigten 4 Uhr 1.
    Das Schlafzimmer hatte zwei getrennte, begehbare Kleiderschränke. In Juris fand Aliks ein Paar Jeans und einen Gürtel. Die stopfte sie in einen Wäschereibeutel, den sie sich über die linke Schulter hängte.
    Die Hose würde Carver ungefähr passen – er und Juri waren gleich groß, Carver ein bisschen schlanker. Doch war er überhaupt in einem Zustand, um sich anzuziehen und zu fliehen? Könnte er sich den Weg nach draußen erkämpfen, wenn sie entdeckt werden würden? Aliks sehnte sich danach, ihn zu sehen und in den Arm zu nehmen. Doch die Vorfreude wurde von der Angst untergraben, was sie vorfinden würde, wenn sie den Folterraum betrat. Teils wünschte sie sich, einfach wegzulaufen und sich vor den vielen Täuschungen und dem Ansturm unterdrückter Gefühle zu verstecken. Doch es hatte keinen Zweck, die Augen zu verschließen und sich das alles wegzuwünschen. Das Leben war nun einmal so. Sie würde damit fertig werden müssen.
    Aliks hatte noch das Nachthemd an und überlegte, sich umzuziehen. Allerdings waren die Kleider, die sie in Gstaad gekauft hatte, genauso
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