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Samuel Carver 01 - Target

Samuel Carver 01 - Target

Titel: Samuel Carver 01 - Target
Autoren: Tom Cain
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pumpten ihn voll Heroin und fuhren auf die Autobahn in Richtung Süden. Vierzehn Stunden später kamen sie in Split an, jenem kroatischen Badeort, der schon den römischen Kaisern zur Sommerfrische gedient hatte.
    Visars Männer verpassten Ali eine neue Dosis, um ihn ruhigzustellen; dann fuhren sie ihren Mercedes auf die Fähre zur Insel Hvar, wo er neben einem Campingbus voll australischer Studenten stand, die auf Europarundreise waren. Die Männer verbrachten die dreistündige Überfahrt am Fährausschank und tranken mit den Aussies ein Bier nach dem anderen. Der Einzige, der außer ihnen an der Theke saß, war ein bärtiger Mann mit einem abgenutzten Panamahut und einem Fernglas um den Hals, der sein Kännchen Tee in die Länge zog und ein Vogelbuch studierte.

    Als Visars Männer bei der Villa ankamen, warfen sie Ergon Ali gefesselt und geknebelt in den Keller. Sie wollten die Zeit ihres Bosses nicht vergeuden; darum verbrachten sie den Rest der Nacht und den ganzen nächsten Tag damit, den Mann, der bislang ihr Freund gewesen war, zu schlagen, unter Wasser zu tauchen und mit Elektroschocks zu traktieren. Erst als sie glaubten, dass er kurz vor dem Zusammenbruch stand, riefen sie Skender Visar an und informierten ihn darüber, dass für seine Ankunft alles vorbereitet sei. Als Visar auflegte, drehten sich bereits die Rotorblätter des Hubschraubers. Visar machte sich auf den Weg, um Ergon Alis Befragung ihrem Ende zuzuführen … und Samuel Carver wartete auf ihn, ohne jedes ornithologische Interesse.

    Carver hockte im Dunkeln an der Seite des Heliports. Visar und seine Leibwächter waren schon zum Haupthaus gegangen, wo Ergon Ali sein Schicksal erwartete. Der Pilot blieb noch ein paar Minuten, um seine Maschine abzuschalten und zu überprüfen; dann ging er ebenfalls den Weg hinauf. Carver wartete, bis er sicher war, dass sich niemand mehr in der Nähe aufhielt, und schließlich schlich er über den Platz zum Hubschrauber.
    Die Bell 206 ist das Arbeitspferd der Lüfte. 1967 wurde sie zum ersten Mal in Betrieb genommen und seitdem kaum verändert. Sie hat einen langen Ausleger, an dessen Ende der Heckrotor sitzt und zwei Finnen wie Haifischflossen senkrecht nach oben und unten abstehen. Dieser Heckstabilisator ist mit vier quadratisch angeordneten Schrauben befestigt.
    Carver zog sich die Handschuhe an, nahm den verstellbaren Schraubenschlüssel heraus und löste die beiden unteren Schrauben. Dann sägte er sie mit einer Minisäge an, um sie erheblich zu schwächen. Schließlich schraubte er sie wieder ein, wobei er sorgfältig darauf bedacht war, sie nicht abzubrechen. Als Nächstes entfernte er das obere Paar. Diese beiden sägte er unter dem Kopf ab. Die Gewindestifte steckte er in die Oberschenkeltasche; die Köpfe setzte er mit Haftstrips auf die Schraublöcher. Wer den Hubschrauber zentimetergenau inspizierte, würde entdecken, was Carver getan hatte; aber bei der oberflächlichen Kontrolle durch einen müden Piloten kurz vor dem Start würde sein Werk nicht auffallen.
    In Gedanken ging Carver die ganze Prozedur noch einmal durch, um sich zu vergewissern, dass alles Nötige erledigt war; dann ging er zurück zum Anleger. Als der Wächter aus seinem Schlaf erwachte, war Samuel Carver längst weg.

    Ergon Ali brauchte lange zum Sterben und beteuerte bis zuletzt seine Unschuld und Loyalität. Als Skender Visar wieder an Bord des Hubschraubers war, dämmerte es bereits. Er war müde und in Gedanken versunken, denn er fürchtete einen kostspieligen Bandenkrieg und fragte sich, wer der nächste Verräter sein würde. Er wollte zurück auf die Jacht. Sein Pilot hatte kein Verlangen, ihn noch mehr zu verärgern; darum beeilte er sich mit den Startvorgängen und ließ die Bell so schnell wie möglich abheben.
    Sie waren acht Kilometer weit gekommen, als die Vibrationen begannen. Der Pilot sagte sich, dass er umkehren solle, aber er wusste, Visar würde das nicht erlauben; deshalb erhöhte er die Geschwindigkeit und hoffte, den Flug möglichst schnell hinter sich zu bringen.

    Als der Hubschrauber beschleunigte, strömte die Luft umso schneller um die Stabilisierungsflossen und drückte sie hin und her. Da die oberen Schrauben fehlten, wirkten die angesägten wie ein Scharnier, und die Flossen begannen zu schlagen. Je schneller der Pilot flog, desto stärker schlugen sie aus.
    Beim Abheben hatte der Abstand zwischen Flossen und Heckrotor etwa fünfunddreißig Zentimeter betragen. Mit jedem Ausschlagen wurde er
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