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Samstags, wenn Krieg ist

Samstags, wenn Krieg ist

Titel: Samstags, wenn Krieg ist
Autoren: K Wolf
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aufstehen. Ihr Kiefer schmerzt. Die Schneidezähne sind wacklig. Ihr Mund füllt sich mit Blut.
    Wie ein ängstliches Kind die Mama, so umfasst er sie. Er kniet dabei vor ihr, drückt sein Gesicht gegen ihren Bauch. Da steigt ein Geruch von frischem Samen in seine Nase. Er stößt sie von sich.
    „Du blödes Luder! Du bist eine Schande für alle deutschen Frauen! Ausländerweibchen! Hast dich nicht mal gewaschen danach! Und überhaupt – bist du blöd, es ohne Gummi zu machen, gerade mit dem? Der hat garantiert AIDS. Der macht es doch mit jeder. Der Zuchtbulle der Mafia ist das. Jawohl, du Schlampe!“
    Bisher empfand sie Wut über Wolf. Aber jetzt schleicht sich Angst ein. Plötzlich spürt sie es auf der Haut. Sie muss jetzt sehr besonnen handeln, sonst kommt sie aus dieser Situation nicht lebend raus. Wolf ist rasend vor Eifersucht. Seine Augen leuchten wie die Fenster eines brennenden Hochsicherheitstrakts.

9
    Yogi fühlt sich im Wald sicherer als auf der Straße. Die Männer in den Blaulichtautos sind Polizisten. Das weiß Yogi.
    Polizisten sind manchmal lieb und manchmal böse. Sie haben ihn schon oft von einem Spiel weggeholt. Vom Teich. Von der Straße. Im Kaufhaus, wo es die vielen bunten Kugeln gab, haben sie ihn geschlagen.
    Sie bringen ihn immer zu Mama und Papa. Dort sind sie lieb zu ihm, reden mit weichen Stimmen, aber vorher machen sie ihm Angst. Sie schubsen ihn herum, lachen, dass es ihm in den Ohren wehtut und zupfen an seinen Sachen.
    Wenn die Eltern da sind, verwandeln sich immer alle. Von böse in gut. Seine Eltern sind Zauberer. Nein, nicht seine Eltern. Eigentlich nur Mama. Auch Papa kann manchmal böse sein und schimpfen. Wenn Mama kommt, verwandelt er sich sofort.
    Jetzt sind die Stimmen wieder da. Sie streiten sich. Ein Mann und eine Frau. Der Mann sagt hässliche Worte. Nutte. Flittchen. Blöde Möse. Ausländerhure.
    Yogi weiß nicht, was die Worte bedeuten, aber er weiß , dass man so etwas nicht sagen darf. Nicht zu Mama. Auch nicht zu Renate oder zu Tante Sophie. Überhaupt nicht. Nie. Am besten kennt man solche Worte gar nicht.
    Wer streitet sich da in Yogis Kopf?
    Die sollen aufhören. Er will lieber wieder den Wind hören. Den Uhu und die fernen Autos.
    Yogi drückt sich die Ohren zu und die Stimmen sind weg. Das ist ein sicheres Zeichen. Die Stimmen sind nicht in seinem Kopf, sondern draußen.
    Sie sollen aufhören. Aufhören.
    Jetzt dringen die Stimmen sogar durch seine Hände.
    „Lass mich in Ruhe! Ich gehe nicht mehr mit dir! Ich bin noch nie mit dir gegangen. Es war nur ein Versehen. Mensch, lass mich los! Ich schreie! Ich erzähl das dem Siggi. Was meinst du, was der mit dir macht, wenn er erfährt, dass du …“
    Yogi will die Stimme nicht länger hören. So ähnlich klingt Renate, wenn sie wütend ist. Sehr wütend und voller Angst. So wütend hat er Renate noch nie erlebt. Nicht so wütend und erst recht nicht so ängstlich.
    Wahrscheinlich ist sie es gar nicht.
    Yogi hält sich die Ohren fester zu und rollt sich auf dem Waldboden herum wie ein angeschossener Straßenköter.

10
    Wolf drückt zu. Sie soll ruhig sein. Endlich ruhig. Wie steht er da, wenn herauskommt, dass er seine Freundin an einen italienischen Gigolo verloren hat? Niemand darf es je erfahren. Alle wissen, wie sehr er auf Renate steht. Sie ahnt ja nicht, was sie ihm damit antut. Egal, was sie sagt, er hört immer nur den einen Satz: Gino hat den Längsten.
    Wolf ist toll vor Zorn. Alle Demütigungen, alle Verletzungen, alle Zurückweisungen der letzten Jahre scheinen sich in diesem Augenblick zu kristallisieren.
    Er will sie nicht töten. Nur zur Vernunft bringen.
    Ein Teil in ihm schreit: Hör auf! Du machst sie ja alle!
    Es ist der Teil, der ihn oft ermahnt. Steh endlich auf! Zieh dich ordentlich an! Sauf nicht so viel! Ruinier nicht dein ganzes Leben!
    Aber der andere Teil von ihm ist wild. Ein reißender Wolf. Lässt sich keine Vorschriften machen, nicht einengen und nicht begreifen. Räumt aus dem Weg. Will verletzen. Greift alles an, was ihn stört. Will hassen und gehasst werden.
    Dieser Teil hat heute endgültig die Oberhand. Erst als Renates Augäpfel so komisch aussehen, meldet sich der vernünftige Teil wieder. Siehst du, das hast du jetzt davon. Sie ist tot. Hättest du auf mich gehört, würdest du jetzt nicht in solchen Schwierigkeiten stecken.
    Nur noch das Weiß ihrer Augen ist da. Der Rest verschwindet irgendwo in ihrem Kopf, so als wolle sie nach innen gucken. Ihre Arme fallen schlaff
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