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Samstags, wenn Krieg ist

Samstags, wenn Krieg ist

Titel: Samstags, wenn Krieg ist
Autoren: K Wolf
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herab.
    „Renate!“, brüllt er. „Renate! Nein!“
    Er schlägt ihr ins Gesicht. Rüttelt sie.
    Er weint. Reißt den Mund zu einem erstickten Schrei auf. Speichelfäden ziehen sich.
    „Aber Renate. Ich lieb dich doch!“
    Was soll ich jetzt nur machen? Was?
    Aha! Jetzt brauchst du mich wieder, spottet die Stimme. Sie klingt wie seine Mutter. Jetzt soll ich die Sache für dich in Ordnung bringen, ja? Du warst ein ganz böser, unartiger Junge.
    „Mama“, stammelt er, „Mama, hilf mir.“
    Da hört er ein Jammern. Ein Tier? Ein Fuchs in der Falle? Ein waidwund geschossenes Reh? Es soll hier Wildschweine geben. Er hat schon ewig keins mehr gesehen.
    Er sieht den Schatten nur, weil er sich bewegt.
    Wolf kniet starr neben Renate.
    Was ist das? Ein Kind?
    Du wirst beobachtet! Hämmern beide Stimmen gleichzeitig in seinem Kopf. Die eine hämisch: Ich hab ja immer gewusst, dass du scheiterst! Die andere aggressiv: Töte! Lass dich nicht verraten! Töte!
    Doch Wolf bewegt sich noch nicht. Da bricht der Schatten zwischen den Ästen hervor. Eine Gestalt. Groß. Stark. Mit wedelnden Armen. Hektischen Bewegungen. Grunzenden Lauten. Jammervollem Quieken. Wie Schweine auf dem Weg zur Schlachtbank.
    Die Figur versucht, zu den Wohnblocks zu entkommen, flieht in Richtung Licht. Wolf hinterher. Er glaubt zu wissen, wem er folgt. So rennt nur einer: Yogi.
    „Bleib stehen! Du sollst stehenbleiben!“
    Yogi versucht Haken zu schlagen wie ein Hase. Oder er weiß einfach nicht, wohin. Kopflos.
    Yogi hat lange Beine. Aber dann wirft Yogi sich einfach auf den Boden. Es sieht aus, als würde er versuchen, sich einzugraben.
    Wolf hat ihn sofort, reißt ihn hoch. Yogi verschließt die Augen ganz fest. Als er die Arme hochhebt, glaubt Wolf zunächst an einen Angriff.
    Er ballt die rechte Schlagfaust. „Wag es nicht …“
    Aber Yogi hält sich nur die Ohren zu. Das alles ist zu viel für ihn. Er begreift das nicht. Er weiß nicht, was er falsch gemacht hat. Und was ist mit Renate? Er will sagen: Ich war es nicht. Ich habe nichts getan. Aber er kann die Worte nicht sprechen, nur fühlen. Sie sind in ihm, aber sie kommen nicht heraus.
    Wolf ist böse. Wolf hat etwas mit Renate gemacht.
    Yogi wimmert. Er erwartet Prügel. Yogi macht sich in die Hose, aber er bemerkt den warmen Strahl nicht.
    Wolf legt seine Hände um Yogis Hals. Er muss sterben, denkt er. Sterben. Sterben. Der Söldner beseitigt die Zeugen.
    Als Yogi keine Luft mehr bekommt, öffnet er die Augen. Mit einem flehenden, um Verzeihung bittenden Blick unterstützt er den Teil in Wolf, der versucht, ihn zu retten.
    Der ist doch irre. Der kann sowieso nicht sprechen. Lass ihn laufen. Der ist als Zeuge nichts wert. Der Klapsmann.
    Wolf lässt Yogi los. Wolf atmet schwer. Yogi ringt nach Luft. Wolf braucht einen Moment. Er muss nachdenken. Jetzt nur keinen Fehler machen. Logisch denken. Eiskalt handeln.
    Jetzt ein Bier. Mein Gott, hat er Durst. Die Zunge klebt trocken am Gaumen. Die Lippen sind plötzlich rissig geworden.
    Die Lunge schreit nach Rauch. Nikotin.
    Er kann sich jetzt schlecht eine drehen.
    Da springt Yogi los wie ein Känguru.
    „He! Bleib da!“
    An einem von Wolfs hohen roten Einundzwanzig-Loch-Doc-Martins ist ein Schuhriemen offen. Die Doppelschleife hat nicht gehalten. Wolf tritt auf den Riemen. Der Springerstiefel vom rechten Fuß ist plötzlich wie am Boden festgenagelt. Wolf stürzt.
    „Scheiße.“
    Yogi erreicht die Straße.
    Wolf rafft sich auf. Seine Knie schmerzen. Das ist jetzt egal.
    Er holt Yogi ein.
    Er kann nicht alle umlegen. Nicht in dieser Nacht, die die triumphalste Nacht seines Lebens werden sollte.
    „Du musst mir helfen“, sagt er zu Yogi. „Du bist doch stark.
    Yogi nickt.
    Wolf zieht ihn zum Trabbi. „Schieb!“ befiehlt er.
    Er macht es vor. Yogi tut, was Wolf verlangt. Yogi ist stark.
    Wolf steigt ein, gibt Gas. Yogi drückt den Wagen aus dem Graben.
    Wolf fährt einfach weiter und lässt Yogi stehen. Ziellos tuckert er herum. Er muss den Wagen loswerden. Aber wie?
    Er überlegt, ob er ihn im Wald abfackeln soll, aber dann siegt sein Ordnungssinn. Er fährt ihn dahin zurück, wo er ihn gestohlen hat. Vor Ginos Wohnung. Die Straße ist menschenleer.
    Wolf wischt mit einem ölgetränkten Lappen flüchtig das Lenkrad ab und den Schaltknüppel. Dann rennt er zum Tatort zurück. Er kann sie irgendwie so nicht liegenlassen. Vielleicht lebt sie ja noch. Er rennt, bis die Lungen kalt und heiß schmerzen.

11
    „Da bist du ja! Wie siehst du
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