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Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
Autoren: Ju Honisch
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vermissen und ihren sanftmütigen Onkel, der zu Lebzeiten ihrer Eltern nie auch nur die Schwelle des Anwesens hätte überschreiten dürfen. Doch am allermeisten würde sie diesen Ort vermissen mit all seinen Erinnerungen an Vertrauen und Freundschaft, Fröhlichkeit und Liebe.
    „Vielleicht mag er mich ja gar nicht“, sagte sie und klang dabei weder hoffnungsvoll noch bekümmert. „Ich bin weiß Gott keine Schönheit. Nicht so wie du, und man hat mir immer gesagt, mein Benehmen sei unelegant und undamenhaft. Ungeschickt. Wahrscheinlich habe ich den künstlichen Charme, den sie mir in St. Theresiens höherer Töchterschule im wahrsten Sinne des Wortes eingebleut haben, schon unterwegs wieder verloren. Schade, sie haben sich solche Mühe gegeben, mich zum perfekten Damenautomaten zu machen. Obgleich die eigentliche Mühe natürlich bei mir lag.“
    Sie drehte sich langsam um sich selbst. Das tat sie immer, bevor sie den Ort verließ.
    „Ich komme zurück, wenn ich kann“, sagte sie. „Das verspreche ich.“

Kapitel 3
    Die Höhlen funkelten rot und weiß, als hätte jemand sie mit Milliarden kleiner Edelsteine verziert. Corrisande Fairchild sah ihren Ehemann an, der durch die Gänge schritt und immer tiefer in den Fuß des Berges vordrang. Der Weg führte bergab und niemals mehr bergauf. Zackige, scharfe Felsmesser bedrohten den verletzlichen Körper aus Fleisch und Blut. Sie versuchte, die Vorstellung von sich zu schieben, die spitzen Vorsprünge würden ihm jäh und arglistig durch die Haut ins Fleisch fahren, um ihn zu zerfetzen.
    Wasser sickerte durch den Fels, sammelte sich wie ein heimlicher Feind hinterrücks zu einer Springflut, um ganz plötzlich jeden Eindringling in seinem finsteren Reich zu ertränken. Sie hörte die Fluten, doch er vermochte das nicht. Er lief in eine Falle. Sie versuchte, ihn zu warnen, rief ihm nach. Er hörte sie nicht. Da war kein Geräusch. Niemand war da, nicht einmal sie. Philip war allein. Er verlor sich immer tiefer im Fels, immer weiter schritt er, eine großgewachsene, finstere Gestalt, die mit der Dunkelheit verschmolz, beobachtet von verborgenen Augen, die raubtierhaft gelb schimmerten, geradeso wie seine eigenen. Er war unterwegs zum Mittelpunkt der Erde, und plötzlich wußte sie mit absoluter Sicherheit, daß er von dort nie zurückkehren würde. Der Tod lauerte im Zentrum des Berges, wartete dort auf ihn und umschlich ihn. Die schmalen Tunnel, die zu ihm hinabführten, führten nicht wieder hinauf ins Licht, sondern würden ihn zu nichts als Schatten in der Dunkelheit zermahlen.
    Sie schrie wieder seinen Namen, und abermals hörte er sie nicht, lief nur einfach immer weiter, ohne jemals zu ihr zurückkehren zu können. Er starb in der Finsternis, verendete hilflos in tiefster Schwärze, und sie war machtlos, konnte nur zusehen, wie er seinem Untergang entgegenschritt.
    Corrisande lag starr auf dem Rücken in dem harten Bett, die Hände in die Laken gekrallt, als müßte sie sich festhalten, um nicht zu fallen. Sie schlug die Augen auf. Der graue Frühmorgen half ihr nicht, den Alpdruck des Traumes von ihrer Seele zu nehmen. Sie bebte. Nur ein Traum, redete sie sich ein und spürte dabei noch deutlich den Trennungsschmerz, die Trauer um den Verlust. Nur ein Traum. Doch was für einer! Er versank nicht in der nachtwandlerischen Irrealität, blieb in ihren Gedanken, stark, seherisch und sehr wirklich. Eine Erinnerung, kein Hirngespinst. Wissen, das ihr erhalten bleiben würde.
    Sie versuchte, sich auf ihre Umgebung zu konzentrieren. Die Pension, in der sie in Bad Ischl abgestiegen waren, war eher ein Gasthof als ein stilvolles Etablissement. Die besseren Hotels und Gästehäuser waren ausgebucht.
    Das machte ihr nichts aus. Vielmehr, es hätte ihr nichts ausgemacht, wenn Philip bei ihr gewesen wäre, wenn sie seinen warmen Körper neben sich hätte spüren und in seinen Armen hätte ruhen können. Doch er war fort.
    Sie schloß die Augen in der Hoffnung, der Raum würde dann aufhören, sich zu drehen, während Wellen von Übelkeit durch ihren Körper schwappten. Aber in ihrem Kopf kreiselte die Welt weiter. Sie atmete flach und behutsam, hatte Angst, ihr Magen würde sich umdrehen, wenn sie zu tief einatmete.
    Es würde gleich aufhören, oder doch in absehbarer Zeit. Es hatte ja auch am Vormorgen aufgehört, am Morgen davor und an all den anderen Morgen, an denen Philip noch bei ihr gewesen und sie heimlich und still im Dunkeln aus dem Bett gekrochen war, in der
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