Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
Autoren: Ju Honisch
Vom Netzwerk:
eingenommen. Als respektierten sie das Grab eines hölzernen Freundes, wuchsen die Bäume um Sevyos zerstörtes Heim herum, das sie versteckten, jedoch nicht einnahmen. Blumen wuchsen auf der Lichtung, die niemand gepflanzt hatte. Sie sprossen einfach aus der Erde und verwandelten Sevyos Aschegrab in ein Blumenbeet.
    Wenn sie seine Blumengruft besuchte, sah sie ihn in ihrem Gedächtnis ganz klar vor sich, erinnerte sich an die Spiele, die sie gespielt hatten, und an die Dinge, die er sie über das Leben und über die Natur gelehrt hatte. Darüber, was Freiheit bedeutete. Er hatte sie gelehrt, mehr auf Inhalt als auf Worte zu achten, die Gefühle anderer deutlicher zu erkennen und zu bemerken, wenn jemand sie manipulieren oder mit einem Zauber belegen wollte. All das hatte ihr mehr bedeutet als höfliche Konversation, exzellente Manieren, die Fähigkeit, einem Haushalt vorzustehen und eine gute Gastgeberin zu sein.
    „Sevyo“, sagte sie, denn sie sprach immer mit ihm, wenn sie ihn an seinem Ort besuchte, obgleich sie wußte, daß er tot und unwiederbringlich verloren war, „ich kann heute nur kurz bleiben. Wir werden übermorgen Gäste haben, und es ist schrecklich viel zu tun. Leopold kommt.“
    Sie machte eine Pause und ringelte eine dunkelbraune Haarsträhne, die ihrer allzu nachlässigen Frisur entkommen war, um ihren Finger. Ihr Haar war andauernd in Auflösung begriffen. Sie wußte wahrlich nicht, wie es anderen Damen gelang, ihre Frisur in Ordnung zu halten.
    „Ich nehme an, er kommt, um um meine Hand anzuhalten.“ Sie schnitt eine Grimasse und grinste dann. „Oder vielleicht, um mich zu begutachten und dann zu entscheiden, ob ich ihm zur trauten Zweisamkeit passe. Unsere Eltern sind nicht mehr am Leben, und sie haben unsere geplante Verehelichung nicht vertraglich festgehalten. Vielleicht mag er mich ja nicht.“
    Sie sagte das ohne Reue. Sie hatte Leopold einige Male gesehen, als er noch ein Knabe war. Etwas älter war er als sie, wohlerzogen und ansehnlich. Nur hatte sie sich nicht für ihn interessiert, denn damals hatte Sevyo noch gelebt. Fast immer hatte sie den schlaksigen, dunkelhaarigen Jungen schlichtweg ignoriert.
    „Wahrscheinlich könnte ich es schlechter treffen. Er stammt aus einer guten Familie, ist intelligent, gutsituiert und hat, soweit ich weiß, eine aussichtsreiche Stellung beim Kriegsministerium. Er kann mir Sicherheit bieten – und vielleicht ist er ja interessant. Er war viel auf Reisen, sogar auf einer Afrikaexpedition. Vielleicht hat ihn das ein bißchen aufgeschlossener gemacht als seine Eltern. Das wäre aber nicht schwer. Verknöchertes Volk.“ Sie streckte die Zunge heraus wie ein ungezogenes Kind und lächelte dann über ihr eigenes Benehmen. „Wenigstens muß ich ihn nicht heiraten, wenn ich ihn nicht mag. Ich bin jetzt volljährig.“
    Gott sei Dank. Wenn es nach ihren Eltern gegangen wäre, hätte sie Leopold sofort nach Abschluß ihrer Schule geheiratet, noch mit siebzehn. Doch dann war ihre Mutter krank geworden und gestorben, und man konnte nicht heiraten, wenn man in Trauer war. Kurz darauf hatte ihr Vater einen Sturz vom Pferd nicht überlebt. Er hatte sich den Hals gebrochen. Wieder Trauerzeit, wieder keine Hochzeit, und inzwischen war Leopold zu einer Expedition ins Innere Afrikas aufgebrochen, vermutlich, um etwas Nützliches zu tun. Charly nahm an, daß die Erforschung der Erde prinzipiell nützlich war. Jedenfalls war er beschäftigt und weit weg gewesen und hatte nicht auf eine rasche Beendigung der Trauerzeit gedrängt.
    Tatsächlich hatte Charly nicht sehr getrauert. Sie hatte ihre Eltern nur selten gesehen. Ihr Vater war politisch aktiv gewesen, und ihre Mutter hatte ihn bei seinen Ambitionen unterstützt, war eine exzellente Gastgeberin und ein gut funktionierendes Rädchen im Getriebe der besseren Gesellschaft gewesen. Meist hatten Charlys Eltern in Wien gelebt, während Charly auf dem Lande aufwuchs, in den Bergen nahe Aussee, wo der Familienstammsitz lag. Sie nannten das Gebäude das Schlößchen, doch es war eher ein Gut mit Weiden und Wäldern, Ländereien, die der Familie ihren nicht unerheblichen Wohlstand einbrachten.
    Sie war in der Obhut von Gouvernanten aufgewachsen, und was sie an Liebe und Sicherheit gebraucht hatte, hatte ihr Sevyo gegeben. So hatte sie ihre Eltern nicht sehr vermißt, als sie noch lebten und noch weniger, als sie schließlich gestorben waren. Sie hatten Sevyo getötet, das hatte sie ihnen nie verziehen.
    Solange sie noch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher