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Salz und Asche - Roman

Salz und Asche - Roman

Titel: Salz und Asche - Roman
Autoren: PeP eBooks
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einen Blick auf die ertrunkene Frau zu werfen, die schmutzig und aufgedunsen war. »Nein. Du sahst anders aus. Weiß und rein, wie ein Engel. Komm, Regine. Vater wartet.« Sie streckte ihr die Hand hin.
    Regine lächelte nur. »Weiß wie die Gänse. Suse, liebe Suse, was raschelt im Stroh?« Sie fing leise an zu singen, und Susanne fühlte die altbekannte Scham. Energisch griff sie nun die Hand ihrer Schwester und zog sie mit sich. »Gine, da ist ein Mensch gestorben. Man singt kein Kinderlied, wo ein Mensch gestorben ist.«
    »Sie wacht nicht wieder auf?«, fragte Regine.
    »Nein«, sagte Susanne und fühlte sich alt und müde. »Das weißt du doch. Nur du bist wieder aufgewacht.«
    »Warum ist sie ins Wasser gefallen?«
    Susanne half Regine die kleine Steigung der Uferböschung hinauf. »Das weiß ich nicht. Woher soll ich das wissen?«
    »Weiß, weiß nicht, weiß«, sang Regine und lachte ein kleines kindliches Lachen. »Suse, liebe Suse …«
     
    Das Haus der Büttners lag im Marktviertel, jedoch nicht weit entfernt vom Sülzviertel und der Saline, denn Salztonnen waren über Jahrhunderte das Hauptgeschäft der Fassmacher gewesen.
    An der Vorderfront von Susannes Elternhaus wuchsen Wein, violette Waldreben und rote Kletterrosen, so wie an den Nachbarhäusern. Die Eingangstür war ein Kunstwerk der Holzschnitzerei, dessen filigran durchbrochene Muster Susanne und ihre Geschwister von klein auf fasziniert
hatten. Alle Büttnerkinder wussten, wie es sich anfühlte, mit den Fingerchen die Schnitzereien nachzufahren. Benutzen taten sie die Tür selten, fast immer bogen sie in die Durchfahrt seitlich vom Haus ein und liefen zur Hintertür, wo nicht gleich jemand fragte, ob sie saubere Füße hatten.
    Außerdem gab es im Hinterhof die Werkstatt. Als Kind hatte es zumindest Susanne eher dorthin gezogen als in die Küche, wo die Mutter jederzeit Arbeit zu verteilen hatte.
    Auch als sie nun mit Regine von ihrem etwas unglücklichen Ausflug heimkam, hätte sie gern bei ihrem Vater und ihren Brüdern hereingeschaut. Doch zuvor wollte sie die erschöpfte Regine ins Haus bringen.
    Auf dem Tisch neben der Hintertür stand ein Reisigkorb mit trockenen Saaterbsen, und unter der Bank scharrten die Hühner. Jemand musste eben noch hier in der Sonne gesessen und Erbsen verlesen haben.
    Regine blieb stehen und sah träumend den Hühnern zu. So konnte sie Stunden stehen. Susanne seufzte - wenn sie ihre Schwester allein draußenließ, konnte es geschehen, dass sie davonlief. Oder es kam ihr in den Sinn, auch die guten Saaterbsen an die Hühner zu verfüttern. Sanft fasste sie ihre Schwester am Arm. »Regine, komm, Lene und die Muhme brauchen gewiss Hilfe.«
    Die alte Muhme, die in ihrer Küche arbeitete, seit Susanne denken konnte, war dabei, Schmalzbrote zu schmieren. Ihre Base Lene goss Dünnbier durch ein Seihtuch in den Krug. Es würde bald Mittagessen geben.
    Auf der Tischkante saß ihr jüngstes Geschwisterkind, Liebhild, und biss bereits in eine Stulle. Sie war sieben Jahre alt, nicht mehr klein also, aber weil sie das jüngste Kind der Büttners bleiben würde, durfte sie vieles, was den Älteren
verboten worden wäre. Das war auch zu Lebzeiten ihrer Mutter nicht anders gewesen.
    Liebhild blickte auf, als sie hereinkamen, und ihre Augen leuchteten. »Da seid ihr! War es schön?«
    Regine ließ es sich gefallen, dass Susanne ihr aus dem Umhang half, und lächelte ihre kleine Schwester an. »Ja. Schön war es. Wir waren am Wasser.«
    Schön war es. Susanne sah wieder die tote Frau vor sich. Regine hatte sie schon vergessen, und weil Klein-Liebchen von dem scheußlichen Erlebnis auch nicht brühwarm hören sollte, beschloss sie, es Lene erst später zu erzählen. Die Muhme war ohnehin taub.
    Liebevoll sah sie von Liebhilds Gesicht zu Regines. Die beiden sahen ihrer Mutter ähnlich, mit ihren feinen Zügen und den hellen Haaren. Auch Liebhild würde groß und schlank werden, eine jüngere Ausgabe der Mutter, so wie Regine.
    Ganz anders als sie selbst. Susanne nahm an, dass sie mit ihren siebzehn Jahren ausgewachsen war und daher immer einen halben Kopf kleiner bleiben würde als Regine. So schön wie ihre Schwester würde sie ebenfalls nie werden. Ihr eigenes Gesicht war rund, die Stupsnase sah nicht edel, sondern frech aus, und ihre staubig-blonden Haare waren unscheinbar.
    Sie war die einzige gewöhnliche Person in ihrer Familie, fand sie. Alle sonst waren aus dem einen oder anderen Grund etwas Besonderes.
    Sie sah zu, wie
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