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Salz und Asche - Roman

Salz und Asche - Roman

Titel: Salz und Asche - Roman
Autoren: PeP eBooks
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Regine sich auf die Küchenbank setzte, ein Schmiermesser zur Hand nahm und angestrengt beobachtete, was die Muhme tat. Ihre Schwester musste viele einfache Tätigkeiten immer wieder neu lernen. Man wusste nie, woran sie sich von einem Tag zum anderen erinnerte.

    Mit einem stummen Seufzer trat Susanne an den Küchentisch und schlug dort das Bündel auseinander, das sie getragen hatte. »Das Messer und die Schere, Lene. Ich glaube, der Schleifer hat es gut gemacht. Ich bringe noch die Klinge in die Werkstatt.« Rasch hob sie die Hand, schob Liebhilds lose Haarsträhnen unter ihre kleine Haube und rettete sie damit vor dem Schmalz ihres Brotes. Dann nahm sie die Abziehklinge auf und ging zur Tür. Gedankenverloren wog sie den Geldbeutel in der freien Hand, der neben Messer und Truhenschlüsseln an ihrem Gürtel hing. Am Abend musste sie ihren Vater um neues Haushaltsgeld bitten.
    Liebhild sprang vom Tisch und kam ihr zur Tür nachgelaufen. »Suse, wann machst du mir die neuen Puppenhaare?«
    »Nachher, wenn es nichts anderes mehr zu tun gibt.«
    »Ach, pööh. Du hast immer noch etwas anderes zu tun.«
    Susanne lachte. »Da hast du recht, Liebchen. Deshalb hilfst du jetzt und stellst uns Becher auf den Tisch. Und den Käse.«
    »Ach, pööh«, meinte Liebhild, aber sie war folgsam.
     
    Als Susanne in die Böttcherwerkstatt kam, fingen die Männer gerade mit dem Aufräumen an. Ihr Vater und der Geselle Thomas stapelten fertige Salztonnen, ihr ältester Bruder Martin legte Dauben, Boden und Setzringe für eine große Bütte bereit. Till, der ein Jahr älter war als sie, ihr aber immer wie der Jüngere vorkam, fegte Späne zusammen, die beim Behauen der Fassdauben abgefallen waren. Es roch würzig nach Buchenholz.
    Früher hatte sie sich oft gewünscht, ein Junge zu sein.
Sie hätte es großartig gefunden, ein Handwerk zu lernen. Was wäre sie stolz gewesen, so gute Fässer bauen zu können wie Martin! Er beherrschte sein Handwerk im Schlaf, obwohl es kein einfaches war. Eine falsch geformte Daube konnte ein undichtes Fass ausmachen und den Ruf bei den Kunden verderben.
    Ihr Vater sah sie und lächelte. Sein Gesicht war so rund wie ihres, sein Bauch noch viel runder. Nun, zumindest wusste sie, wem sie ähnelte. Unwillkürlich erwiderte sie sein Lächeln. »Die Klinge, Vater.«
    »Seid ihr also wieder zurück. War es schön am Wasser?«
    Susanne legte die Abziehklinge zum Werkzeug und winkte ab. »Ach, hör mir auf! Sie hatten gerade eine tote Frau aus dem Fluss geholt, sie lag noch da. Regine hat es zum Glück schon wieder vergessen.«
    Till hörte mit dem Fegen auf. »Eine Tote, wirklich? Wie sah sie aus?«
    »Till! Lass sie in Ruh, du Galgenpilger. Du siehst doch, dass sie sich gruselt.« Martin war fertig mit seinen Vorbereitungen für die Nachmittagsarbeit und klopfte sich den Kittel ab.
    Susanne fand es nett, dass Martin sie schützen wollte, glaubte aber, dass er ebenso für sich selbst sprach, denn er ekelte sich leicht.
    »Eine aus den Schiffergassen soll es sein. Ich glaube, sie hat sich umgebracht«, sagte sie.
    »Gott sei ihr gnädig«, sagte Ulrich Büttner. »Da hat sie sich eine Sünde aufgeladen. Nicht schön, dass ihr das sehen musstet, Kind.«
    Till zuckte mit den Schultern. »Na, wenn ihr alle meint, dass das tote Elend so viel schlimmer anzusehen ist als das
lebende! Ich habe schon Schifferweiber gesehen, für die das unmöglich stimmen kann. Ehe ich die tagtäglich sehen müsste, würde ich lieber …«
    »Till!« Martin drohte spielerisch mit der Faust.
    »Mir tut sie leid«, sagte Susanne. »Bevor eine so weit geht, dass sie sich das Leben nimmt, da muss sie doch viel Kummer gehabt haben.«
    Ihr Vater war herangekommen und tätschelte ihr den Rücken. »Recht hast du, mein Mädchen. Kummer gibt es bei den Armen heuer reichlich, und manchem mag das den Lebensmut nehmen. Aber eine Sünde bleibt es doch. Ein einziges Leben bekommt jeder - mehr nicht. Das wirft man nicht weg.«
    Susanne nickte nachdenklich. Niemand, der ihren tatkräftigen und geschäftstüchtigen Vater kannte, hätte sich vorstellen können, dass er jemals auf den Gedanken käme, sich das Leben zu nehmen. Andererseits war es ihm und seiner Familie auch in Lüneburgs schlimmsten Notzeiten nie so schlecht gegangen, dass er keinen Ausweg mehr gewusst hätte. Er hatte die Fassmacherei erfolgreich durch jede Flaute und jede Abgabenerhöhung gesteuert, den ganzen langen Krieg hindurch.
    Martin hob die Arme, streckte und dehnte die Muskeln,
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