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Sag niemals nie

Sag niemals nie

Titel: Sag niemals nie
Autoren: India Grey
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Brüchige Rohre und fehlende Dachziegel hatte man ersetzt, die Mauern von Moos und Unkraut befreit, Risse im Mauerwerk repariert. Das gesamte Anwesen erstrahlte in neuem alten Glanz.
    Gern wollte Anna hineingehen, zögerte aber. Sie wagte nicht zu hoffen, dass …
    Mit bebenden Fingern nahm sie die Schlüssel aus der Handtasche, ging zur Pforte hinauf und versuchte, den ältesten Schlüssel ins blank polierte Schlüsselloch zu schieben.
    Er passte. Und ließ sich drehen.
    Staunend betrat Anna die Eingangshalle.
    So musste sie vor hundert Jahren ausgesehen haben, als ihr Urgroßvater seine Braut herbrachte. Der Kalksteinboden war gesäubert und glänzte. Die Wände schimmerten zartblau, in der Farbe der einstigen Seidentapeten. Und die große Halle wurde durch eine alles überspannende Glaskuppel in ein magisches Licht getaucht.
    Benommen stieg Anna die Treppe hinauf. Ungläubig ließ sie die Finger über das restaurierte Holzgeländer gleiten. Gleich würde sie in ihrem harten Klosterbett aufwachen und feststellen, dass sie nur geträumt hatte. Das alles war zu wunderbar, um wahr zu sein! Dann betrat sie das Zimmer ihrer Großmutter – und atmete tief ein.
    Die Möbel, die sie zur Auktion freigegeben hatte, standen wieder an ihrem Platz. Die Decken des prächtigen Himmelbetts mit dem goldverzierten Kopfteil waren mit zartrosa Seidenwäsche bezogen. Alles sah aus, als würde Großmutter jeden Moment erscheinen und sich hier schlafen legen.
    Der Frisiertisch stand an der gewohnten Stelle am Fenster, der schwere Schrank an der Wand neben der Tür …
    Am Schrank ein von Folie geschütztes elfenbeinfarbenes Kleid. Ein Brautkleid. Auf der Stelle verwandelte sich der Traum in einen Albtraum. Anna wurde eiskalt.
    Ein erstickter Schrei entrang sich ihr. Hilflos begann sie zu schluchzen, weil ihr klar war, was das bedeutete.
    Angelo wollte aus Belle-Eden doch keine Klinik machen. Er würde hier mit seiner zukünftigen Frau wohnen …
    Anna war wie gelähmt. Es war, als hätte sich ihr Gehirn kurzzeitig ausgeschaltet. Unfähig, irgendetwas zu tun oder zu denken stand Anna in der Mitte des Raumes.
    Von der Auffahrt drangen Geräusche in ihr Bewusstsein. Eine Wagentür wurde zugeschlagen, auf dem Kies ertönten Schritte. Jetzt erst löste sie sich aus ihrer Erstarrung und rannte voller Panik zur Treppe. Unten wurde die Eingangstür aufgestoßen.
    Wie versteinert blieb sie auf dem Treppenabsatz stehen. Ihr Herz klopfte wie wahnsinnig. Unten in der Halle stand Angelo – wie bei ihrer ersten Begegnung –, wie sie ihn sich als Mädchen in ihrem zusammengeflickten Brautkleid erträumt hatte.
    Atemlos blickte er zu ihr auf. „Anna!“
    „Ich weiß“, flüsterte sie. „Entschuldige. Ich hätte nicht herkommen dürfen. Ich gehe schon.“
    „Nein!“ Schon stürmte er die Stufen herauf, doch sie wich bebend zurück. Er bemerkte ihre Reaktion und blieb einen Schritt vor ihr stehen.
    „Bitte, Angelo … sag nichts!“ Flehend sah sie ihn an. „Ich reiße mich zusammen.“
    Er sah den angstvollen Ausdruck in ihren Augen. Gern hätte er sie jetzt in die Arme genommen und sie geküsst. Stattdessen schob er die Hände in die Taschen.
    „Wir müssen uns aussprechen. Da ist so vieles, was du nicht weißt.“
    „Nein!“ Ihr verzweifelter Aufschrei hallte von der hohen Kuppel wider. „Ich habe das Brautkleid gesehen, Angelo!“
    Aufstöhnend hob er die Hände. „Du hast es also gesehen.
    Tut mir leid, Anna. Ich wollte erst mit dir sprechen.“
    „Das ist nicht mehr nötig.“ Schluchzend drückte sie sich an ihm vorbei und rannte die Treppe hinunter. „Du hast mir schon in London gesagt, dass du heiraten willst. Ich hatte genug Zeit, mich daran zu gewöhnen.“ Halt suchend griff sie nach dem Geländer, ehe sie sich langsam umdrehte und Angelo ansah. Ihr Gesicht war tränenüberströmt. „Aber das heißt nicht, dass ich darüber hinweg bin.“
    Er atmete auf. Das hatte er ganz vergessen. Die erfundene Hochzeit … Sie hatte das Kleid gesehen und musste annehmen, es wäre für eine andere …
    „Nein“, wehrte er ab. „Nein, Anna, nein! Das Brautkleid … Hast du es dir nicht richtig angesehen?“
    Sie lachte gequält. „Nein, warum sollte ich? Damit ich mir besser vorstellen kann, wie schön deine Braut an eurem Hochzeitstag aussehen wird, Angelo? Das erspare ich mir lieber.“
    „Anna, komm zu mir“, bat er sanft.
    Ihre Lippen bebten. „Das kann ich nicht.“
    „Gut.“ Er seufzte. „Dann komme ich zu dir.“
    „Nein!
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