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Sag niemals nie

Sag niemals nie

Titel: Sag niemals nie
Autoren: India Grey
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hatte versucht, sie umzustimmen, doch sie hatte schluchzend den Hörer aufgelegt. Die freundliche Nonne, die sie aufgenommen hatte, war still bei ihr geblieben, bis Annas Tränen versiegt waren.
    Und jetzt war der Monat um. Es ging auf Weihnachten zu. Draußen würde überall hektischer Trubel herrschen. Die Vorstellung erschreckte Anna. Am liebsten wäre sie hiergeblieben, wo das Leben still und einfach verlief. Doch die Kinder im Kloster sollten sich nicht zu sehr an sie gewöhnen. Je länger sie bliebe, umso mehr würde es die Kleinen verletzen, wenn sie ging.
    An der Tür blieb Anna stehen und blickte zu Suzette. „Träum süß.“
    „Anna?“, sagte das Mädchen schläfrig. „Liest du mir das Märchen morgen noch mal vor?“
    Sie lächelte traurig. „Nein, Liebes. Vielleicht Lily.“
    „ Non. Ich möchte, dass du es liest.“
    „Aber ich gehe morgen fort, Liebes. Hast du das vergessen?“, erinnerte sie das Mädchen sanft.
    Einen Moment herrschte Stille. „Ach ja“, erwiderte Suzette dann leise und drehte sich zur Wand.
    Anna wurde das Herz schwer. Am liebsten wäre sie zurückgegangen, um das kleine Mädchen in die Arme zu nehmen. Es musste so früh lernen, dass es sich auf niemanden verlassen konnte. Aber wie sollte sie es trösten?
    Später saß Anna am Fenster ihres zellenartigen Raumes. Sie blickte über die Baumwipfel zum Château hinüber wie jeden Abend, seit sie hier war.
    Als sie vor einem Monat fluchtartig Fliss’ Apartment verlassen hatte, wusste sie erst nicht, wohin sie gehen sollte. Die Begegnung mit Angelo, zu erfahren, dass er heiraten würde – das alles war zu viel für sie gewesen. Sie war seelisch zusammengebrochen und hatte sich zu dem Ort geflüchtet, an dem sie sich stets am sichersten gefühlt hatte.
    Zum Château Belle-Eden.
    Noch am selben Abend war sie nach Nizza geflogen und hatte ein Taxi genommen.
    „Wohin, Mademoiselle ?“, hatte der Fahrer gefragt.
    „Zum Kloster bei Belle-Eden.“
    „Sacre Cœur? Bon.“
    So war sie zu ihrem ersten Zuhause zurückgekehrt. In das Heim, in dem sie als Baby gelebt hatte, ehe Sir William und Lisette sie adoptiert hatten. Früher hätte sie nicht im Traum daran gedacht, jemals freiwillig dieses Kloster zu betreten. Aber auf dem Bahnsteig war etwas mit ihr geschehen. In Anbetracht ihrer hoffnungslosen Zukunft hatte sie etwas aus der Vergangenheit in Ordnung gebracht.
    Endlich hatte sie es ausgesprochen. Ich wurde adoptiert.
    Niemand in der U-Bahn hatte gelacht oder sie verspottet, obwohl die meisten es gehört haben mussten. Es hatte sie erleichtert, sich endlich dazu bekannt zu haben.
    Jetzt schämte sie sich nicht mehr, adoptiert zu sein. Zum ersten Mal war sie mit sich im Reinen und stand zu dem, was sie war.
    Die Nonnen hielten nichts von gefühlvollen Verabschiedungen. Leute kamen und gingen, und Anna war nur eine von vielen Einsamen und Gebrochenen, die in den kargen Gästeräumen des Klosters Zuflucht gesucht hatten. Gelassen hatten sie ihre Entscheidung, fortzugehen, hingenommen. Sie hatten ihr einen Strauß Blumen aus dem Klostergarten in den Arm gedrückt und ihr alles Gute gewünscht.
    Im Taxi hatte Anna ihr Handy zum ersten Mal seit einem Monat herausgenommen und Fliss’ Büronummer gewählt.
    „Guten Morgen. Arundel-Ducasse, Felicity Hanson-Brooks am Apparat. Was kann ich für …“
    „Fliss. Ich bin’s.“
    „Anna. Anna! Wo bist du? Wie geht es dir? Ich fasse es nicht! Wo warst du?“
    „Mir geht’s gut. Ich bin in der Nähe von Cannes und fahre zum Château …“
    „Du fährst zum Château? Jetzt gleich? Meine Güte! Hör zu, Anna, ich muss auflegen. Ruf mich bald an, versprichst du es?“
    Die Verbindung war unterbrochen.
    Nachdenklich blickte Anna aus dem Fenster, während das Taxi die vertraute Straße zum Château Belle-Eden entlangfuhr.
    Es überraschte Anna, dass die schmiedeeisernen Tore offen standen. Dennoch ließ sie sich vor der Auffahrt absetzen. Sie wollte zu Fuß zum Schloss gehen. Was würde sie vorfinden? Eine Baustelle, auf der es von Baggern und Bauarbeitern wimmelte? Oder eine nagelneue Klinik, die sich um das Château gruppierte? So, dass der alte Bau kaum noch zu sehen war?
    Als sie um die letzte Biegung der Auffahrt bog, stockte ihr der Atem … sie musste träumen!
    Das Château sah aus wie in ihrer Kindheit. Sauber und sorgfältig gepflegt, so, wie es unter den wachsamen Augen ihrer Großmutter stets gewesen war. Die morschen Holzbalken waren restauriert und frisch gestrichen worden.
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