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Rywig 10 - Machst Du mit Senta

Titel: Rywig 10 - Machst Du mit Senta
Autoren: Berte Bratt
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bestimmt auch für eine Nacht beherbergen - und Rolf wollte seinen damaligen Doktorvater in Kiel aufsuchen. Dann war es nur ein Katzensprung nach Hamburg und dem Flughafen und unserem Amerika-Flugzeug!
    Sonja war beim Abschied ganz unglücklich. „Wenn ich bloß mit Sicherheit wüßte, wann wir uns wiedertreffen werden“, seufzte sie. „Wenn ich einen bestimmten Zeitpunkt wüßte, worauf ich mich
    freuen könnte!“
    „Und Striche in den Kalender machen“, ergänzte ich. „Sonnie, ich hoffe doch sehr, daß ich dich in einer nicht allzufernen Zukunft besuchen kann!“
    Wenn du wüßtest, dachte ich im stillen. Wenn du wüßtest, wie wenig fern der Zeitpunkt ist!
    Beatemutti und ich brachten sie zum Flughafen. Es lief nicht ganz ohne ein paar Tränchen ab. Die einzigen, die von der Situation ganz unberührt blieben, waren meine beiden Nichten. Die eine saß quietschvergnügt auf dem Arm einer netten Stewardeß, die andre ebenso quietschvergnügt bei der Mutti. In der Tür zur Wartehalle drehte sich Sonja noch einmal um.
    „Senta! Denk daran, wie vorteilhaft ein Englandbesuch für eure Sprachkenntnisse wäre!“
    „Und eine Amerikareise erst recht“, flüsterte ich Beatemutti ins Ohr. Sie war ja im Bilde, aber sie spielte die Komödie wunderbar mit.
    Unsere Sprachstudien gingen vorwärts, wir lernten sehr fleißig. Rolf hatte ja schließlich das Abitur gemacht, und ich war einmal in Afrika und einmal in England von der englischen Sprache ganz abhängig gewesen. Bei den Gelegenheiten hatte ich ja ein bißchen dazugelernt.
    Eines Tages saß mein fleißiger Ehemann mit Grammatik und Wörterbüchern und Luftpostpapier vor sich und schwitzte. Er war dabei, einen Brief an Professor Simmons in Kanada zusammenzubasteln. Endlich war er fertig, und er zeigte mir das Resultat. Soweit ich es beurteilen konnte, war alles unbedingt verständlich, und das war ja die Hauptsache!
    Die Zeit rannte dahin. Ich hatte allerlei vorzubereiten. Dann kam Rolf eines Tages mitten in der Sprechstunde angerast, mit einem blauen Luftpostbrief in der Hand.
    „Senta! Lies mal! Denk dir, der Goldschatz schreibt auf deutsch! Er möchte mich gern sprechen - und ich kann ihm alles auf deutsch erzählen, von meinen Beobachtungen und meinen Experimenten und.“
    „Rolf, gehe ich recht in der Annahme, daß der Goldschatz Professor Simmons ist?“
    „Ja, wer sonst? Mensch, ich bin ja so froh! Jetzt freue ich mich erst richtig auf die Reise! Du, lies den Brief, ich muß rennen, bin eben rübergelaufen, während die Betäubungsspritzen wirken. Ich muß einem armen Kerl alle Zähne ziehen, ein Glück, daß er nicht allzuviel übrig hat - und bei dem Nächsten habe ich ein Pfund Zahnstein zu entfernen.“
    „Verwechsle sie nur nicht“, ermahnte ich ihn.
    „Ich werde mir alle Mühe geben.“ Ich bekam einen schnellen Kuß, und mein Göttergatte lief zu seinem betäubten Patienten.
    Ja, der Brief war in einwandfreiem Deutsch geschrieben! Der Professor habe mit großem Interesse Rolfs Brief gelesen, er freue sich sehr darauf, ihn zu sprechen und seine Forschungsresultate mit den eigenen zu vergleichen.
    „Sie brauchen sich gar nicht wegen Ihrer eventuellen Fehler im Englischen zu entschuldigen“, schrieb der Professor zuletzt. „Aber da Sie in Deutschland studiert und auch dort Ihre Doktorarbeit gemacht haben, ziehen Sie wahrscheinlich einen deutschen Brief vor. Sie wissen vielleicht nicht, daß ich ein gebürtiger Österreicher bin. Seit 1938 wohne ich in Kanada, aber zum Glück habe ich meine Muttersprache noch nicht verlernt. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Gattin eine angenehme Reise und bitte Sie, so bald wie möglich nach Ihrer Ankunft in Vancouver mich anzurufen.“
    Der liebe Professor hätte vielleicht Augen gemacht, falls er meine erste Reaktion auf seinen Brief gesehen hätte! Ich rannte zum Bücherbord und holte die Weltgeschichte raus. Was war im Jahre 1938 passiert? Ich hatte so eine Ahnung - ja, siehe da, es stimmte: In dem Jahr war ja der sogenannte „Anschluß“ - Österreich wurde deutsch, und die, die keine arischen Großeltern hatten, taten gut daran, das Land zu verlassen. Vielleicht war er deswegen ausgewandert. Dann mußte er ja ein ziemlich alter Mann sein! Ich zählte die Jahre an den Fingern ab. Ja, bestimmt, er mußte unbedingt ein Mann „reiferen Alters“ sein.
    Oh, wie freute ich mich für Rolf! Und ein klein wenig stolz war ich auf meinen Mann, dessen Arbeiten so wertvoll waren, daß ein bekannter Professor auf der
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