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Rywig 09 - Ich zähl die Tage im Kalender

Titel: Rywig 09 - Ich zähl die Tage im Kalender
Autoren: Berte Bratt
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ein bißchen in meinem alten Kleiderschrank, da hängen noch ein paar Sachen aus meiner verflossenen Jugend, jedenfalls bestimmt eine brauchbare lange Hose. Bitte, bediene dich!“
    Dies war aus einem Brief von Sonja.
    „Mein liebes Mädchen, es ist ein Glück, daß die Jugend zur Zeit bunte Sachen trägt, diese Jacke habe ich aus lauter Resten gestrickt, aber sie sieht doch ganz lustig aus?“ So schrieb Mutti.
    Dann kam Senta, eilig und vielbeschäftigt wie immer. „Täntchen, komm und hilf mir - hier, nimm mir meinen Sohn ab, gib ihn Oma -du mußt mir tragen helfen! Ich habe zwei große Kartons Bücher für dich von meinem Herrn und Gebieter, alles was du für die ersten drei Semester brauchst.“
    „Heidilein, hier hast du etwas für die Reise. Ein bißchen Verbandzeug und ein paar Kopfschmerztabletten und etwas für die Verdauung, falls dir das andere Klima zu schaffen macht“ - mit diesen Worten überreichte mir mein Schwager ein nettes kleines Medizinkästchen.
    Sie waren alle rührend besorgt und hilfsbereit! Stefan schenkte mir ein selbstgebasteltes Lesezeichen. „Damit du immer weißt, wo du in deinen Lehrbüchern weiterlesen mußt“, erklärte er sorgfältig. Annette kam feierlich mit einem Päckchen in buntem Papier. Es war ein selbstgestrickter Staublappen, der mich ganz sentimental machte, die Ausführung erinnerte mich lebhaft an meinen schon erwähnten Topflappen im ersten Schuljahr. „Du mußt ja ab und zu in deinem Zimmer staubwischen“, erklärte Annette und sah mich mit ihren blauen Guckerchen erwartungsvoll an, worauf ich ihr sowohl Umarmung als auch Küßchen zukommen ließ.
    Dann fuhr Senta nach England, nachdem sie uns den Sprößling überlassen hatte, und sich noch einmal, nach dem Abschied, auf der Schwelle umgedreht hatte: „Ach ja, richtig, Rolf kommt montags und freitags her zum Essen, denn bei seinen Eltern gibt es montags gesalzenen Fisch und freitags Milchreis, und das mag er nicht!“
    Also mußten wir montags Frikadellen und freitags Erbsensuppe mit Speck kochen!
    Es gab genug im Haus zu tun. Die ganzen Augustäpfel waren an der Reihe. Wir kochten Apfelgelee und Apfelmus, dazwischen kamen Pflaumen und Birnen. Einmachgläser und Tiefkühlpackungen entstanden unter Beates und meinen fleißigen Händen. Es wurde gewaschen, geplättet, gestopft und geflickt. Daß wir in dem Punkt nie arbeitslos wurden, dafür sorgte Stefan regelmäßig und getreu. Und dann hatten wir ja Klein Gerhard zu versorgen. In den wenigen Stunden, die übrigblieben, kümmerte Beate sich um ihre Reisevorbereitungen. Sie wollte am ersten September fahren, und Ermahnungen und Ratschläge prasselten nur so über meinen armen Kopf runter! Ich sollte ja die ganze Familie bekochen und pflegen, während Beate weg war!
    Meine eigene Reise wurde sozusagen in den Hintergrund geschoben. Aber während ich wusch und kochte, wischte und plättete, lag es immer in meinem Unterbewußtsein: Ich darf studieren! Ich fahre ins Ausland! Ich werde bei Sentas reizender Frau von Waldenburg wohnen!
    Ich freute mich wahnsinnig!
    Auf meinen vorbildlich höflichen und dankbaren Brief - von Senta durchgesehen, damit die Dative und Akkusative nun auch richtig waren - kam ein entzückender Brief von Frau von Waldenburg. Sie freue sich darauf, eine „Tante“ von ihrer lieben Senta zu beherbergen, und sie erzählte, daß die „Dritte im Bunde“ ein deutsches Mädchen namens Xenia sein würde.
    Wie mochte wohl ein Mädchen sein, das einen so seltenen Namen hatte, überlegte ich mir.
    Ich war furchtbar gespannt auf die beiden Mädchen. Hoffentlich würden wir uns gut verstehen! Jedenfalls hatten wir zwei wesentliche Sachen gemeinsam: Wir waren knapp bei Kasse und kannten die Kunst des Sparern, und wir waren auf fleißiges Arbeiten und Studieren eingestellt.
    Oh, das würde schon gutgehen!
    Ich wusch und kochte weiter und machte Striche in den Kalender! Senta kam zurück und fand ihren Sprößling bei bester
    Gesundheit vor, ebenso ihren Mann, der dank der Kochkünste seiner Mutter, Beate und meiner Wenigkeit drei Pfund zugenommen hatte. Sie erzählte weit und breit von Sonjas entzückendem Häuschen und von allen Vorbereitungen für das zu erwartende Baby. Lady Robinson hatte das süßeste Babykörbchen gestiftet, und Heiko hatte es noch geschafft, vor seiner Reise nach Westafrika das Kinderzimmer eigenhändig zu tapezieren. Nun war er zusammen mit Lady Robinson zurück, und Senta wurde dann „in Gnade entlassen“, wie sie
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