Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rywig 03 - Meine Träume ziehn nach Süden

Titel: Rywig 03 - Meine Träume ziehn nach Süden
Autoren: Berte Bratt
Vom Netzwerk:
Ob sie irgendeinen Dialekt sprach?
    „Morgen, Fräulein Rywig! Na, gibt es heut Brötchen bei Ihnen?“ Das war die Verkäuferin.
    Ich reichte ihr - wortlos - Sentas Gekritzel.
    „Nanu, haben Sie das Sprechen verlernt, oder sind Sie heiser?“ Welch Glück, das verstand ich! Ich nickte eifrig, zeigte auf meinen Hals und flüsterte „erkältet“ - das Wort kannte ich zufällig.
    „Ach Sie Ärmste! Trinken Sie heißen Zitronensaft!“
    „Gurgeln Sie mit Emser Salz!“
    „Nein, ein Tröpfchen Jod in einem Glas Wasser!“
    Die guten Ratschläge prasselten auf mich nieder. Ich nickte dankbar nach rechts und nach links, nahm meine Tasche und verkrümelte mich, so schnell ich konnte, nahm Bickys Leine fest in die Hand und trabte davon.
    Es blieb nicht bei diesem einen Mal! Wir mußten eines Tages eine Runde machen durch alle Geschäfte, in denen Senta gewöhnlich einkaufte. Damit es den Leuten klar wurde, daß die norwegische Haustochter bei Frau von Waldenburg sich verdoppelt hatte!
    Frau von Waldenburgs Sohn und Schwiegertochter waren wirklich ganz reizend. Die junge Frau war in einer englischen Internatschule gewesen, so plauderten wir fröhlich Englisch am Frühstückstisch.
    „Wissen Sie was“, sagte sie plötzlich, als ich erzählte, dies sei mein erster Besuch in Deutschland. „Nächste Woche muß mein Mann auf einen Tag nach Hamburg. Wie wäre es, wenn Sie und Ihre Schwester mitführen? Ich würde dann hier auf die Viecher aufpassen. Sie haben doch bestimmt irgend etwas, das Sie in Hamburg gern sehen möchten?“
    „O ja!“ rief ich. „Den Zoo!“
    „Paßt wunderbar! Der Zoo liegt sozusagen an der Einfahrtstraße aus Kiel. Mein Mann setzt Sie dort ab und holt Sie am Nachmittag wieder. Wäre das eine Idee?“
    Mein Herz sprang hoch vor Freude.
    „Oh, Sie könnten mir gar keine größere Freude machen! Es ist furchtbar, furchtbar lieb von Ihnen! Wenn Ihr Gatte einverstanden ist?“
    Er war es.
    „Wenn du es wagst, mich mit zwei reizenden jungen Damen und ohne Anstandswauwau loszuschicken“, lachte er. „Na, im Ernst, das läßt sich natürlich machen. Ich rufe Anfang der Woche an.“
    Dann kam der Aufbruch. Frau von Waldenburgs Gepäck wurde in den Traumwagen verstaut, der vor dem Tor stand. Senta bekam eine herzliche Umarmung, und ich auch eine! Schnell noch ein paar Ermahnungen, abends die Türen abzuschließen und nicht zu vergessen, am Donnerstag mit Bicky zum Tierarzt zu gehen; keine fremden Menschen in die Wohnung zu lassen, und bei irgendwelchen Problemen sofort den Sohn anzurufen.
    Wir versprachen alles. Dann wurde der Motor angelassen, drei
    Hände winkten, und Senta und ich waren allein.
    Mit einer Sache hatte ich nicht gerechnet: Wir konnten nie lange von zu Hause weg bleiben, wegen Bicky. Zwei, drei Stunden konnten wir sie allein lassen. Manchmal nahmen wir sie mit. Aber erstens hatte sie eine Höllenangst vor dem Stadtverkehr und zerrte immer verzweifelt an der Leine; zweitens durften wir ihr nicht zu große Anstrengungen zumuten, wegen ihrer „anderen Umstände“.
    Wir hatten es trotzdem schön!
    Sentas Herzensfreund Rolf erschien per Motorroller. Ich kannte ihn von zu Hause und mochte ihn gern. Aber es läßt sich nicht leugnen, daß ich mich ein bißchen überflüssig fühlte. So ging ich in die Küche und machte Abendbrot, nachher stellte ich das Fernsehen an, während die beiden im Nebenzimmer plauderten und tuschelten.
    Ja, das Fernsehen, das war auch ein Erlebnis! Es war ein Farbfernseher, und besonders die Naturfilme waren in Farben prachtvoll. Ach, was man in diesem Land alles hatte!
    „Sieh nur fern und höre Rundfunk so viel wie möglich“, riet mir meine erfahrene Schwester. „Du ahnst ja nicht, wie schnell du dann Deutsch lernst!“
    Frau von Waldenburg junior rief an. Am nächsten Morgen führe ihr Mann nach Hamburg, ob es uns passte?
    Es paßte!
    Die Fahrt in dem Traumwagen war an sich ein Erlebnis. Ich kam mir sehr vornehm vor. Papas Auto ist auch nicht schlecht, aber dies! Nun ja, Papa ist ein fleißig arbeitender Arzt und kein reicher Gutsbesitzer. Kinderreich - das ist er!
    Die junge Frau von Waldenburg hatte ihren eigenen Wagen. Senta erzählte mir, daß der Begriff „Zweitwagen“ hier gang und gäbe sei, und daß viele Familien noch mehr Wagen hätten. Denn kaum seien die Söhne und Töchter achtzehn, gehe das Gequengele los -wie sie sich auszudrücken beliebte -; zuerst nach dem Führerschein, dann nach Papas Wagen und schließlich nach einem eigenen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher