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Rywig 01 - Bleib bei uns Beate

Titel: Rywig 01 - Bleib bei uns Beate
Autoren: Berte Bratt
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waren.
    Der Doktor kam zuerst nach unten. Er stürzte seinen Kaffee herunter, aß eine Buttersemmel, sagte hastig „Guten Morgen“ und „haben Sie gut geschlafen“, überflog den politischen Leitartikel der Morgenzeitung und empfahl sich.
    Dann kam Bernt. Er sagte höflich guten Morgen, nahm unaufgefordert seinen Lebertran, aß in aller Gemächlichkeit und bedankte sich, als Maren ihm sein Schulbrot brachte.
    Dann ging Bernt ebenfalls.
    Darauf kamen die Zwillinge angetobt. „Morgen, Beate! Denk bloß, wir haben nicht gehört, wie du aufgestanden bist! Himmel, wie spät ist es? Beeil dich, Senta, wir müssen in zehn Minuten weg!“
    Sie plapperten und aßen und sahen auf die Uhr und erinnerten mich lebhaft an meine eigenen Geschwister am Frühstückstisch, so daß ich mich ganz heimatlich fühlte.
    Und nun ging die Tür auf und Tante Julie erschien zusammen mit Sr. Hoheit Hansemann.
    Ach du liebe Zeit, wie sah der hinreißend aus!
    Auf dem Kopf ein Schwall von blanken, blonden Locken. Ein schmales Gesichtchen mit riesigen blauen Guckaugen. Die Brauen fein gezeichnet und die Augen von schwarzen, nach oben gebogenen Wimpern umkränzt.
    Er sah aus wie ein kleiner Engel Gottes. „Guten Morgen, Fräulein Hettring. So, Hansemann, jetzt sag deiner neuen Dadda hübsch guten Tag.“
    Meine Igelstacheln sträubten sich bereits von neuem. Soso, ich sollte also eine Dadda für das Engelskind sein? Da hatte ich wohl auch noch ein Wörtchen mitzureden!
    „Guten Tag, Hansemann“, sagte ich. „Ich heiße Beate, und ich soll den Haushalt führen, wenn deine Tante fortgeht.“
    Hansemann sah mich forschend an.
    „Ziehst du mich immer an?“
    „Ich dich anziehen? Tust du das denn nicht allein, du bist doch groß genug?“
    „Du mußt mich anziehen!“
    „Nun, das werden wir sehen. Vielleicht kann ich es dir beibringen, es allein zu tun?“
    „Mag ich aber nicht.“
    „Ach, das ist dann allerdings Pech“, sagte ich.
    „So, Hansemann, nun bist du aber ganz lieb und ißt dein Frühstück“, schaltete Tante Julie sich jetzt ein. „Senta, Sonja, habt ihr alle eure Sachen? Hansemann, Mund auf, jetzt kriegst du Vitasol, ei, ist das fein. Senta, Sonja, habt ihr euren Lebertran genommen? Ihr seid viel zu spät dran, ihr müßt euch beeilen! Sei jetzt ein liebes Bübchen und iß dein Brot, Hansemann. Ach, Maren, bringen Sie doch mal ein bißchen Erdbeermarmelade für Hansemann! - Sonja, leg die Serviette ordentlich zusammen! - Senta, vergiß nicht dein Schulbrot.“
    Sie hatte die Zwillinge offenbar wieder verwechselt, aber keine von beiden achtete darauf. Und ich saß dabei und überlegte, welche Aufgaben hier im Hause ich zuerst angreifen müsse: den Unterschied zwischen den Zwillingen zu lernen - oder Herrn Hansemann ein Mindestmaß an Betragen beizubringen.
    Die Zwillinge sausten ab in die Schule, und Julie zog sich den Mantel an und brachte Hansemann in den Kindergarten.
    Es wurde ein fürchterlicher Tag. Tante Julie kam zurück und begann, ihre Weisungen zu erteilen.
    Es ging pausenlos. Sie sagte mir alles, was ich wissen mußte, und doppelt so viel, was ich nicht zu wissen brauchte. Wo man das beste Gemüse kaufe und wie der Doktor seine weißen Kittel gebügelt haben wolle, was der Doktor am liebsten zu Mittag esse, und wie der Kaffee aufgebrüht werden müsse, wo sie Unterwäsche für die Kinder kaufe und wie sie Pfannkuchen backe. Dann hielt sie einen Augenblick inne, um Atem zu holen, und sagte: „Auf Bernt müssen Sie Ihr Augenmerk besonders richten. Er ist ein schwieriger Junge.“ „So?“ sagte ich. „Ich finde, er macht einen besonders klugen Eindruck, und er scheint höflich und pünktlich zu sein.“
    „Er ist ausgesprochen mundfaul, und er hat nicht einen einzigen Freund. Er hockt immer oben in seinem Zimmer und murkst mit irgend etwas herum. Man muß ihn richtiggehend in die frische Luft hinausjagen. Er kann stundenlang über seine Sammlungen sitzen.“ „Wie famos, daß ein dreizehnjähriger Junge so ganz in einer Sache aufgehen kann!“ sagte ich. „Was ist es denn für eine Sammlung? Briefmarken?“
    „Nein, Briefmarken sind es nicht - ich weiß offengestanden gar nicht, womit er sich so beschäftigt. Er sitzt bloß immer oben ganz für sich allein.“
    Himmel, dachte ich. Du hast diese Kinder fünf Jahre lang versorgt und weißt bis heute nicht, wofür sich der Junge interessiert? Was hat es für einen Zweck, daß du Unterwäsche für sie besorgst und gute Pfannkuchen bäckst und den kleinen
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