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Rywig 01 - Bleib bei uns Beate

Titel: Rywig 01 - Bleib bei uns Beate
Autoren: Berte Bratt
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Teufelsbengel im Engelskleide mit Erdbeermarmelade fütterst, wenn du nicht die leiseste Ahnung davon hast, was in den kleinen Köpfen und Herzen vor sich geht? Und ist es dir noch nie in den Sinn gekommen, daß Kinder etwas haben, was man Seele nennt?-
    „Die beiden Brüder sind sehr verschieden“, fuhr Tante Julie fort. „Das habe ich gemerkt“, sagte ich trocken.
    „Der arme kleine Hansemann, er hat seine Mutter nie gekannt. Sie starb, als er geboren wurde. Es ist für ein Kind nicht gut, wenn es mutterlos aufwächst.“
    Endlich sagte Tante Julie etwas, worin ich ihr ganz und gar beipflichten mußte. Wenn einer eine liebevolle, feste und konsequente Mutter brauchte, so war es Hansemann.
    „Hansemann braucht so viel Liebe“, sagte Tante Julie. „Er ist ein richtiges kleines Schmeichelkätzchen, und für meinen Neffen ist er wirklich der Sonnenstrahl hier im Hause.“
    „Ich sollte meinen, Herr Doktor könnte hier im Hause vier Sonnenstrahlen haben“, sagte ich. Und es gab noch allerlei, was ich nur zu gern gesagt hätte, aber weshalb sollte ich? Hier galt es nicht zu reden, sondern zu tun. Eins wußte ich: wenn einer hier im Hause Liebe brauchte, so war es Bernt. Verstanden denn diese Menschen nicht das kleinste bißchen von der Seele eines dreizehnjährigen Jungen?
    „Bernt hat keinen einzigen Freund“, hatte Tante Julie gesagt. O doch, liebe Tante Julie! Bernt hat jetzt einen Freund. Bernt hat mich!
    Wir aßen zu Mittag, als die Kinder aus der Schule gekommen waren und das Engelskind aus dem Kindergarten zurück war.
    Am Eßtisch wiederholte sich das Theater von heute morgen. Hansemann wurde gebeten und angefleht, er möge essen. Hansemann ließ sich gnädigst mit ein paar besonders guten Happen füttern, Hansemann ließ sich dazu herab, seinen Nachtisch zu essen, nachdem er in dem gebratenen Fisch nur herumgestochert hatte. Ich versuchte, ein Tischgespräch in Gang zu bringen.
    „Nun bin ich aber mal gespannt, was ihr zu meiner Kocherei sagt“, begann ich, an die drei Großen gewandt. „Ach richtig, ich muß doch erfahren, was ihr am liebsten eßt. Was sind denn so eure Lieblingsgerichte?“
    „Die Kinder essen, was ihnen vorgesetzt wird!“ sagte Tante Julie streng und reichte Maren Hansemanns Teller mit dem Fisch, der nicht gegessen worden war.
    „Natürlich“, pflichtete ich ihr bei. „Aber wenn ich euch nun eines Tages eine besondere Freude machen möchte, was soll ich dann für euch kochen? Was mögen sie am liebsten, Fräulein Rywig?“
    „Das weiß ich wahrhaftig nicht“, sagte Tante Julie. „Sie haben immer schmackhaftes Essen bekommen.“
    „Das glaube ich ohne weiteres“, sagte ich und schaute verstohlen auf die Uhr. Gott sei Dank, nur noch fünf Stunden, dann mußte Tante Julie fahren. Fünf Stunden würde ich es wohl noch aushalten, ohne zu platzen. „Also Kinder, heraus mit der Sprache. Was magst du am liebsten, Sonja - Senja - Senta - Sonta?“ Die Zwillinge lachten hellauf.
    „Apfelcharlotte“, sagte Sonja (oder vielleicht war es Senta).
    „Apfel im Schlafrock“, sagte Senta (wenn es nicht Sonja war).
    „Und du, Bernt?“
    Bernt sah mich voll an, und seine Augen waren anders als gestern. Ich las ein Entgegenkommen in ihnen und - ja, auch so etwas wie ein fragendes Verlangen sprach aus dem Blick.
    „Frikadellen“, sagte Bernt.

Frikadellen und Kindererziehung
    „Du, Bernt“, sagte ich. Wir saßen allein am Frühstückstisch. Der Doktor war eben gegangen, die Zwillinge waren noch nicht zum Vorschein gekommen, und Herr Hansemann hatte sich ausgedungen, von Maren angezogen zu werden. Irgendwelches Bedauern über Tante Julies Abreise hatte er nicht geäußert - die anderen übrigens auch nicht, ich selbst am allerwenigsten.
    „Sag mir mal, Bernt, wann, meinst du, paßt es wohl am besten, wenn ich mal ein bißchen mit deinem Vater spreche? Du kannst dir denken, ich habe allerlei zu fragen und Auskünfte zu erbitten, aber ich sehe ja, wie furchtbar viel dein Vater zu tun hat, und ich möchte ihn so ungern stören.“ Bernt überlegte.
    „Ich weiß nicht recht - vielleicht nach dem Abendbrot“, sagte er zögernd. „Jedenfalls nicht morgens.“
    „Nein, das ist mir völlig klar!“ lachte ich. „Einen vielbeschäftigten Mann morgens beim Kaffe und bei der Morgenzeitung zu stören, das ist eine Todsünde. So ist es wohl in allen Familien.“
    „Wirklich?“ fragte Bernt erstaunt. „Ich dachte, das wäre nur hier so.“
    „Oh, ganz und gar nicht! Mein Vater ist
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