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Rywig 01 - Bleib bei uns Beate

Titel: Rywig 01 - Bleib bei uns Beate
Autoren: Berte Bratt
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überhaupt noch nicht an der frischen Luft gewesen bist, aber ich habe heute nicht mehr die Kraft zu zanken.“
    „Da hab ich ja Glück gehabt“, sagte Bernt. Dann hörten wir draußen den Wagen, und der Doktor kam nach Hause. Gleich darauf saßen wir beim Essen, der Doktor, Bernt und ich. Der Doktor fragte zuerst nach Hansemann und erfuhr, daß er schon schlafe, und hinterher mußte ich ihm sagen, aus welchem Grunde die Zwillinge nicht mit uns äßen.
    „Ja, sehen Sie nur zu, daß Sie sich bei den Ruppsäcken in Respekt setzen“, sagte der Doktor. Ich gab ihm ungefähr die gleiche Antwort wie Tante Julie:
    „Respekt ist nicht unbedingt nach meinem Geschmack, Herr Doktor. Ich möchte lieber, daß die Kinder Vertrauen zu mir haben. Aber ein bißchen Disziplin ist nun mal nötig, darüber bin ich mir klar.“
    „Jaja“, lächelte der Doktor. „Nennen Sie es Disziplin, wenn sich das für Sie schöner anhört. Nun Bernt, was hast du heute gemacht? Bist du schon draußen gewesen?“
    „Nein, ich habe allerlei aufgeräumt.“
    „Deine Pflanzen?“
    Pflanzen, dachte ich. Ist es die Botanik, für die der Junge sich so interessiert?
    „Ja, das auch. Und dann habe ich einen Aufsatz geschrieben.“
    „Nun ja, das ist alles ganz gut und schön, Bernt, aber du mußt auch an die Luft. Sehen Sie, Fräulein Hettring, wie verzwickt das ist: Bernt muß ins Freie gejagt, und die Zwillinge müssen mit aller Macht hereingeholt werden.“
    Der Arzt lächelte müde, ich lachte, und dann aßen wir, ohne noch mehr zu sprechen. Dabei hatte ich mir gedacht, Vater und Sohn würden die Gelegenheit zu einer gemütlichen Unterhaltung wahrnehmen, da die drei Störenfriede nun fort waren!
    Nichts von gemütlicher Unterhaltung, ach nein. Beide saßen stumm da, beide in ihre eigenen Gedanken vertieft, und so schwieg ich natürlich ebenfalls.
    Mit einem Male befiel mich eine solche Sehnsucht nach zu Hause, daß ich hätte heulen können.
    Ich sehnte mich nach dem Geplapper und der Unruhe, nach der Behaglichkeit und Wärme und dem Vertrauen und der Liebe.
    Die Liebe...
    Ich ging in mein Zimmer hinauf und fing einen Brief an die Eltern an.
    Aber nach einer halben Seite hörte ich auf. Ich war zu müde.
    Mit einem Male hatte ich zu nichts weiter Lust, als neben Axel auf einer Bank zu sitzen, den Kopf an seine Schulter gelehnt, und seinen Arm um mich zu fühlen und Axels Stimme zu hören: „Kleine Beate.“
    Und ich sehnte mich danach, die Augen zu schließen und Axels Atem an meinem Gesicht zu spüren.

Die große Überraschung
    „Sagen Sie, Maren“, sagte ich, „wie hat Fräulein Rywig es eigentlich gehalten, wenn sie etwas in der Stadt zu besorgen hatte? Nahm sie sich einen bestimmten Tag nachmittags frei, oder...“
    „Nein, sie machte es so, wie es gerade paßte“, antwortete Maren. „Mittwochs war sie immer zu Hause, das ist mein freier Tag.“
    „Hm.“
    Ich überlegte. Ob ich meinen freien Nachmittag mit dem Doktor besprechen oder es so machen sollte wie Tante Julie und    in    die    Stadt
    gehen, wenn ich in die Stadt mußte?
    Es war nur so schwierig, mit dem Doktor irgend etwas zu besprechen. Er war so wenig zu Hause, war immer müde und saß abends immer und arbeitete. Der arme Mann, wie wenig    hatte    er    im
    Grunde von seinen Kindern und seiner Häuslichkeit!
    Aber plötzlich geschah etwas, das mich veranlaßte, den Doktor zu fragen.
    Einer der Zwillinge kam mit einem Brief in der Hand angerast. „Brief für dich, Beate! Aus Tjeldsund umadressiert. Er kommt hier aus Oslo! Kennst du denn jemanden in Oslo?“
    „Das geht dich nichts an, Sonja“, sagte Bernt. „Man guckt sich nicht anderer Leute Briefe an.“
    „Ich hab doch nur nach dem Poststempel gesehen.“
    „Der Poststempel geht dich auch nichts an.“
    Sonja händigte mir den Brief aus, trippelte wieder hinaus, drehte sich in der Tür um und streckte Bernt hinter seinem Rücken die Zunge heraus.
    Mir flog das Herz in den Hals hinauf. Es war Axels Schrift. Ich zog mich schleunigst in mein Zimmer zurück und öffnete den Brief mit zitternden Fingern.
    Er war auf einem Firmenbriefbogen geschrieben, mit Langeböe & Co. in gestochenen Buchstaben in der linken Ecke.
    „Liebste Beate!
    Tausend Dank für den Brief. Du siehst, ich habe nicht übertrieben, als ich Dich darauf vorbereitete, daß ich ein schlechter Briefschreiber sei. Aber denke ja nicht, daß ich Dich deswegen vergessen hätte. Es war immer so nett, wenn Du hinten auf dem
    Motorrad
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