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Rywig 01 - Bleib bei uns Beate

Titel: Rywig 01 - Bleib bei uns Beate
Autoren: Berte Bratt
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krampfhaft, ihn so lange wie möglich in dem Kleinkinderstadium zu halten, und vergißt, daß er in das Alter kommt, wo er normalerweise Fußball spielen und mit Nasenbluten und Schrammen nach Hause kommen müßte und mit Kennermiene von Automarken und Pferdestärken reden müßte!“
    Der Doktor sah mich entgeistert, aber nicht unfreundlich an. „Das ist ja allerhand“, sagte er. „Sie meinen...“ Dann ging zum Glück das Telefon auf des Doktors Schreibtisch, und ich war heilfroh. Ich hatte ja eigentlich die Absicht gehabt, noch zu warten, bis ich die kitzlige Frage mal anschneiden könnte.
    Aber ich konnte nun ausgehen, wann ich wollte. Und schon morgen wollte ich Axel besuchen. Ach, wie ich mich freute! Morgen
    - morgen sollte Axel eine Überraschung erleben! Ich warf einen schnellen Blick in den Spiegel. Die kleine Locke ringelte sich noch immer eigensinnig in mein Ohr hinein.
    Morgen würde ich an Axels Tür klingeln - und ich würde die Grammophonplatte mitbringen - und Axel und ich würden. „Wir beide zwei beim Lampenschimmer Ganz allein im Zimmer.“
    Abends konnte ich fast nicht einschlafen vor lauter Seligkeit. Am nächsten Morgen fragte der Doktor, ob ich vielleicht meinen Lohn für die neun Tage im August schon haben wolle - ich war ja am zweiundzwanzigsten angetreten.
    Das kam mir sehr gelegen. Auch das war etwas Neues und ausgesprochen Angenehmes. Ich hatte doch noch nie in meinem Leben selber Geld verdient! Ich hatte von meinem Vater Taschengeld bekommen, mit einer Sonderzulage in der Zeit, als ich das Haus allein führte, aber reichlich war es nie.
    Am nächsten Vormittag fuhr ich in die Stadt und besorgte die Grammophonplatte und behielt noch so viel Geld übrig, daß ich mir im Ausverkauf einen sehr schicken kleinen Hut erstehen konnte.
    „Ich glaube, du bist verliebt, Beate“, sagte Senta (oder Sonja) beim Mittagessen.
    „Was sagst du da?“ Zu meinem unbeschreiblichen Ärger fühlte ich, wie mir die Röte in die Wangen stieg.
    „Ja, du hast nämlich Hansemann eben zweimal vom Nachtisch aufgetan, und dabei hat er seinen Fischpudding noch nicht
    gegessen.“
    Gibt es wohl etwas Schlimmeres als die beiden scharfen Augen eines elfjährigen Mädels? Höchstens die vier scharfen Augen von zwei elfjährigen Mädels.
    „Dann muß Tante Julie verliebt gewesen sein, so lange wir sie gekannt haben“, sagte Bernt gleichmütig. „Würdest du so nett sein und mir den Zucker reichen, Beate?“
    Oslo bei Abend, Oslo mit Lichtreklamen und erleuchteten Schaufenstern, mit Autos und klingelnden Straßenbahnen. Ich kam mir richtig vor wie die „Unschuld vom Lande“, wie ich da am Rinnstein stand, auf die andere Straßenseite hinüberspähte und auf eine Pause im Verkehr wartete, um hinüberzuschlüpfen Es dauerte lange. Endlich aber wagte ich es und atmete erleichtert auf, als ich drüben war. Jetzt war es nur die nächste Straße links hinunter - und dann rechts drüben - dort mußte es sein.
    Und so war es.
    Mein Herz klopfte wie rasend, als ich die Treppe hinaufstieg, die Grammophonplatte unter den Arm geklemmt. Oh, was würde Axel bloß sagen - was würde er sagen - oh, wie ich mich freute, von  seinen Armen bald umschlungen zu sein...
    Hier war es. Auf einer Visitenkarte stand sein Name und  „Zweimal läuten“.
    Ich mußte ein wenig warten und schlucken und mir auf die Lippe beißen, ehe ich die Hand hob und zweimal auf den Klingelknopf drückte.
    Zunächst rührte sich nichts. Mir sank der Mut. Vielleicht war er nicht zu Hause?
    Doch. Drinnen bewegte sich jetzt etwas. Eine Tür ging. Ein Lichtstrahl drinnen im Flur, hinter der Milchglasscheibe der Wohnungstür sah man jemanden sich bewegen.
    Und nun die Stimme - liebe Zeit, wie ich mich nach dieser Stimme gesehnt hatte!
    „Nein, wo, ich erwarte niemanden. Da will sicher bloß einer Schnürsenkel verkaufen.“ Dann wurde die Tür geöffnet.
    Ich wollte gerade guten Tag sagen - aber plötzlich versagte mir die Stimme.
    Ich blieb im Halbdunkel auf der Treppe stehen mit der Platte unter dem Arm und dem feinen neuen Hut auf dem Kopf, und ich sah Axel nur an und merkte, wie meine Lippen zuckten. „Nein - wie ist das möglich - bist du es, Beate!“
    Ich nickte. „Wie kommt es denn, daß du plötzlich hier aufkreuzt?“
    Ich setzte ein paarmal an, endlich gehorchte mir die Stimme: „Ich habe hier in Oslo eine Stellung. Ich bekam gestern deinen Brief. Bitte - hier ist die Platte!“
    „Die Platte?“ Er sah mich verständnislos an.
    „Ja, du
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