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Rywig 01 - Bleib bei uns Beate

Titel: Rywig 01 - Bleib bei uns Beate
Autoren: Berte Bratt
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den Beinen. Und dabei hatte ich nachts nicht sonderlich gut geschlafen. All die neuen Eindrücke und der Gedanke an diesen Pflichtenkreis, den ich übernommen, hatten mich wach gehalten.
    Und der Gedanke an Axel! Was würde er wohl sagen, wenn ich völlig unerwartet auftauchte und ihn überraschte? Oh, wie freute ich mich jetzt schon darauf, mit ihm in Oslo auszugehen.
    Beim Abendessen waren die Kinder schweigsam gewesen. Schweigsam und überaus wohlerzogen. Nie in meinem Leben hatte ich Kinder mit so anständigen Tischmanieren gesehen und einem so höflichen Betragen. Nach dem Essen waren sie ins Bett geschickt worden; der Doktor zog sich in sein Arbeitszimmer zurück; Tante Julie und ich blieben allein.
    „Meinen Sie nicht, daß Sie reichlich jung für diesen Posten sind?“ fragte Tante Julie und sah mich forschend an.
    „Das ist schon möglich“, antwortete ich. „Aber das gibt sich ja mit der Zeit.“
    „Ich könnte mir denken, daß es für Sie schwierig sein wird, sich bei den Kindern Respekt zu verschaffen“, fuhr Tante Julie fort. Mir fiel mein Gespräch mit den Zwillingen kurz zuvor ein.
    „Damit hat es keine Not“, sagte ich. „Ich möchte viel lieber das Vertrauen der Kinder besitzen als ihren Respekt.“
    Tante Julie sah mich ganz entsetzt an und blieb mir die Antwort schuldig. Dann wechselte sie das Thema.
    „Maren müssen Sie auf die Finger sehen. Gewiß, sie ist ein gutes und verläßliches Mädchen, aber sie ist jung und muß ständig kontrolliert werden!“
    Ich fühlte jetzt, die Stacheln kamen allmählich bei mir heraus, wie bei einem gereizten Igel.
    „Ich glaube, ich eigne mich nicht dazu, meine Mitmenschen zu kontrollieren“, sagte ich und versuchte, sehr ruhig und maßvoll zu sprechen. „Nach meiner eigenen Erfahrung arbeitet man am besten, wenn man sich selbständig fühlt - und zu einem guten und verläßlichen Menschen kann man ja auch Vertrauen haben!“
    „Sie haben sehr ausgeprägte Ansichten“, sagte Tante Julie, und ihre Stimme war genauso warm und süß wie eine tiefgekühlte
    Zitrone.
    „Ja, zum Glück“, sagte ich. „Wenn ich die nicht hätte, würde ich nie den Mut gehabt haben, eine so verantwortungsvolle Stellung wie diese zu übernehmen.“
    „Sie sind sich also darüber klar, daß sie verantwortungsvoll ist?“ „Ja, allerdings! Für einen überanstrengten Mann und vier mutterlose Kinder Harmonie zu schaffen und Behagen und Lebensfreude.“ - ich legte besonderen Nachdruck auf das Wort „Freude“ - „und das Haus so zu verwalten, daß es im besten Sinn ein Heim wird - das halte ich für die verantwortungsvollste Aufgabe, die eine Frau überhaupt haben kann!“
    „Nun ja, wollen wir hoffen, daß es gut geht“, meinte Tante Julie und stand auf. „Sie entschuldigen mich, ich muß Kaffee für meinen Neffen machen.“
    „Es ist vielleicht das beste, ich lerne die Gewohnheiten des Hauses so schnell wie möglich kennen“, sagte ich. „Trinkt der Herr Doktor nach dem Abendessen immer Kaffee?“
    „Immer“, sagte Tante Julie. Sie schritt zur Tür, und ich folgte hinterdrein wie ein wißbegieriges Hündchen.
    Kurz darauf meinte Tante Julie, ich sei sicherlich müde von der Reise, was auch der Wahrheit ziemlich entsprach; wir wünschten einander gute Nacht, mit großer Höflichkeit und aus unserer Erleichterung, daß unsere Wege sich am nächsten Tag scheiden würden, keinen Hehl machend.
    Ich schlief unruhig, träumte eine Menge dummes Zeug und wachte früh auf. Die Zwillinge schliefen noch süß, und ich schlich mich auf den Zehenspitzen ins Badezimmer. Die Uhr schlug gerade sieben, als ich meinen Einzug in der Küche hielt, während ich sozusagen meine seelischen Daumen drückte.
    Hier fand ich Maren schon an ihrem Platz.
    „Guten Morgen, Maren! Ja, da bin ich nun, und ich werde Sie um und dumm fragen. Ich muß ja lernen, wie Sie es hier im Hause mit allem halten.“
    Maren sah mich erstaunt an und schwieg. Ihr Blick war nicht unfreundlich, er war fragend und abwägend. Ich fing gleich an: „Wann muß das erste Frühstück fertig sein? Und was kriegt jeder zum Frühstück?“
    Maren erklärte mir den ganzen Apparat mit Vollkornbrot und Honig und Milch und Schiffszwieback. Der Doktor trank starken Kaffee. Ja, und Bernt und die Zwillinge mußten Lebertran einnehmen. Hansemann bekam „Vitasol“, er mochte keinen Lebertran.
    Mir kamen in bezug auf Sr. Hoheit Hansemann allmählich böse Ahnungen. Und es sollte sich herausstellen, daß sie berechtigt
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