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Rywig 01 - Bleib bei uns Beate

Titel: Rywig 01 - Bleib bei uns Beate
Autoren: Berte Bratt
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ist Chirurg und hat eine eigene Praxis, neben der St.-Lukas-Klinik. Und seine Operationspatienten legt er immer in die St.-Lukas-Klinik.“
    „Aha, so ist das!“ sagte ich.
    Dann schwiegen wir. Ich hätte gern etwas Freundliches gesagt, wäre gern mit Bernt näher in Kontakt gekommen, aber was sollte ich sagen? Er fragte nichts, erkundigte sich nicht, wie die Reise gewesen, nicht, ob ich schon früher mal in Oslo gewesen sei. Nun gut, dann mußte ich es mal versuchen.
    „Habt ihr jetzt keine Wirtschafterin, Bernt? Oder vielmehr, habt ihr bisher keine gehabt?“
    „Nicht gerade eine Wirtschafterin. Tante Julie ist bei uns gewesen. Sie ist eine Tante von meinem Vater, und sie hat für uns gesorgt, seit meine Mutter tot ist.“
    Wie freudlos klang doch seine Stimme!
    „Tante Julie fährt morgen weg. Sie muß fort, zur Kur, sie hat Rheuma.“
    Trocken, sachlich, ohne eigene Stellungnahme.
    Der Wagen hielt. „Wir sind da. Wollen Sie einen Augenblick im Auto warten, ich lauf rein und erkundige mich, ob mein Vater fertig ist.“
    Bernt stieg aus, kam aber sofort wieder zurück. „Papa ist gleich so weit. Wollen Sie bitte mit reinkommen?“
    Und an den Fahrer gewandt: „Wieviel macht es, bitte?“
    Gleichmütig, sachlich, beängstigend erwachsen. Bernt war genauso alt wie mein Brüder Jens. Jens mit den verschrammten Knien, den dreckigen Fäusten und Sommersprossen und mit dem großen Mundwerk, unser quirliger, lebendiger Jens.
    Wir setzten uns in ein weißes Wartezimmer mit Stahlmöbeln, hinter einer Glaswand saß ein sachlich aussehendes junges Mädchen in weißem Kittel an einem Klappenschrank mit vielen Knöpfen.
    Herrgott, wie war das alles kalt und nüchtern!
    Da ging eine Tür. „Willkommen, Fräulein Hettring. Es hat mir furchtbar leid getan, daß ich Sie im Stich lassen mußte. Ich hoffe, mein Sohn hat sich Ihrer gut angenommen.“
    „Es hätte nicht besser sein können“, sagte ich und versuchte zu lächeln. „Bernt könnte meinen eigenen ruppigen Brüdern Unterricht in Höflichkeit und Umsicht erteilen!“
    „Sieh mal einer an, hast du gehört, was dir für ein Zeugnis ausgestellt worden ist, Bernt? - So, nun wollen wir aber schnell nach Hause fahren. Sie sind sicher müde von der Reise, Fräulein Hettring? Wie war die Fahrt? Bernt, hier ist der Autoschlüssel, stell das Gepäck hinein, ich sage nur noch Bescheid.“
    Dr. Rywig wirkte abgehetzt und fahrig. Er lächelte und war liebenswürdig und zuvorkommend, aber die Augen - die Augen waren glanzlos wie die seines Sohnes. Und er war mager und sah überanstrengt aus.
    Dann fuhren wir in dem sommerlichen Abend aus der Stadt hinaus. Ich saß neben dem Arzt, der mich lebhaft und mit gezwungener Liebenswürdigkeit unterhielt. Bernt saß hinten. Er sprach kein Wort.
    Wir hielten vor einer roten Backsteinvilla.
    Die Haustür wurde aufgerissen, und eine helle Mädchenstimme rief: „Da sind sie!“ Eine dunkelgekleidete, hagere Gestalt erschien, und eine Stimme sagte: „Pscht, nicht so wild, wie oft soll ich euch das sagen.“, und dann traten wir in einen Vorplatz mit schmiedeeisernen Wandleuchtern und einer alten Truhe unter einem antiken Spiegel. Im Hintergrund Mädchengekicher und eine schwarzgekleidete Tante Julie.
    „Schläft Hansemann schon? Nun, ich lauf schnell rauf und sage ihm gute Nacht.“Damit war Dr. Rywig in wenigen Sätzen oben und verschwunden.
    Mein Blick fiel auf Bernt. Seine dunklen Augen folgten dem Vater. Lag nicht so etwas wie Sehnsucht in ihnen?
    Tante Julie reichte mir die Hand. „Willkommen, Fräulein Hettring. Ja, es ist heute abend gerade ziemlich unruhig bei uns. Mein Neffe wurde ganz plötzlich abberufen, und ich bin mitten beim Packen - ich muß Sie bitten, für heute nacht drinnen bei den Mädels vorliebzunehmen, ab morgen bekommen Sie mein Zimmer. Bernt, trag die Koffer nach oben, ihr beiden, kommt her und sagt Fräulein Hettring ordentlich guten Tag, wie es sich gehört.“
    Ich stand da und klapperte mit den Augenlidern. Vor mir hatte ich zwei Mädels von ungefähr elf Jahren, und ich meinte, ich sähe doppelt.
    Gesicht, Haarfarbe, Augenfarbe, Größe, Ausdruck - alles war genau gleich. Du liebe Güte! Wie sollte ich die beiden je auseinanderhalten?
    „Guten Tag, ihr beiden - ja, ihr braucht mir nicht zu erzählen, daß ihr Zwillinge seid, das sieht man - sagt mir doch mal, wie ihr heißt?“
    „Senta“, sagte die eine.
    „Sonja“, sagte die andere. „Und wir sind in verschiedenen Jahren geboren!“ Die Augen der
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