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Rushdie, Salman

Rushdie, Salman

Titel: Rushdie, Salman
Autoren: Luka und das Lebensfeuer
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aus, beinahe so, als erzählte ihm gerade jemand eine wunderschöne
Geschichte. An seinem Bett stand Soraya, Lukas Mutter. Sie tippte sich mit den
Fingern an die Lippen, und in dem Moment, in dem Luka ins Zimmer rannte und sie
sah, wusste er, dass sie sich die Fingerspitzen küssen wollte, um sie dann auf
Raschids Mund zu legen und sich von ihm zu verabschieden.
    «Was um
alles in der Welt machst du da? Rennst hier herein wie ein Verrückter!», rief
Soraya entrüstet, und dann stürmten auch noch Bär der Hund, Hund der Bär und
Harun ins Zimmer. «Schluss jetzt», verlangte sie. «Was soll das? Ist das hier
ein Spielplatz oder ein Zirkus?»
    «Bitte,
Mama», bettelte Luka, «ich habe keine Zeit für lange Erklärungen - lass mich
einfach tun, was ich zu tun habe.» Und ohne die Antwort seiner Mutter
abzuwarten, steckte er seinem Vater eine vor Lebensfeuer glühende
Otterkartoffel in den offenen Mund, wo sie sich zu seiner Verblüffung
augenblicklich auflöste, und Luka, der seinem Vater wie gebannt auf die Lippen
starrte, sah, wie kleine Feuerzungen tief in Raschids Inneres glitten. Dann
waren sie verschwunden, und einen Moment lang geschah nichts. Luka wurde bang
ums Herz. «Ach», klagte seine Mutter, «was hast du jetzt nur wieder
angestellt, du dummer Junge...?» Doch dann erstarben die harschen Worte auf
ihren Lippen, denn wie alle anderen im Raum sah sie, wie Raschids Gesicht
langsam wieder Farbe gewann und sich auf seinen Wangen eine gesunde Glut ausbreitete,
fast, als würde er vor Verlegenheit rot werden, und der Monitor am Bettrand
begann einen festen, regelmäßigen Herzschlag zu trommeln.
    Raschids
Hände regten sich, und dann schoss, ohne jede Vorwarnung, seine Rechte unter
dem Laken hervor und begann Luka zu kitzeln. Vor Freude über dieses Wunder,
aber auch aus Furcht schnappte Soraya laut nach Luft. «Hör auf, mich zu
kitzeln, Papa», rief Luka lachend, doch ohne die Augen zu öffnen, erwiderte Raschid
Khalifa: «Ich kitzle dich ja gar nicht - Niemand tut das», und dann drehte er
sich auf die andere Seite, um Luka auch noch mit der linken Hand zu fassen. «Du
tust das, du kitzelst mich», rief Luka, Raschid Khalifa aber schlug die Augen
auf, grinste breit und sagte in unschuldigem Ton: «Ich? Dich kitzeln? Ach was,
das ist doch Unfug.»
    Raschid
setzte sich auf, streckte sich, gähnte und warf Luka einen komischen, fragenden
Blick zu. «Ich habe wirklich seltsames Zeug von dir geträumt», sagte er. «Mal
sehen, ob ich es noch zusammenkriege. Du warst auf Abenteuerreise in der Welt
der Magie, ja genau, und alles fiel in sich zusammen. Hmmm, dann waren da
Elefantenvögel und Respekto-Ratten, ein richtiger fliegender Teppich, und
dann wäre wohl auch noch die Kleinigkeit zu erwähnen, dass du zum Feuerdieb
wurdest und das Lebensfeuer gestohlen hast. Du weißt nicht zufällig Genaueres
über diesen Traum, junger Luka, oder? Du könntest nicht zufällig meine
Wissenslücken füllen?»
    «Vielleicht,
vielleicht auch nicht», antwortete Luka verlegen, «aber eigentlich müsstest du
alles wissen, Dad, denn, ehrlich gesagt, hatte ich die ganze Zeit so ein Gefühl,
als wärst du an meiner Seite und hättest mir Ratschläge und Tipps gegeben,
ohne die ich bestimmt verloren gewesen wäre.»
    «Dann sind
wir schon zu zweit», sagte der Schah von Bläh, «denn ohne deine kleine
Heldentat wäre nämlich auch ich verloren gewesen, so viel steht fest. Das
heißt, so klein war die Heldentat ja gar nicht. Eigentlich war es sogar eine
superkolossale Megaheldentat. Nun, du brauchst dich jetzt nicht gleich
aufzuplustern wie ein Pfau, aber das war schon eine tolle Leistung, Hut ab. Das
Lebensfeuer! Hmmm, hmmm. Otterkartoffeln, stimmt's? Und das, was da um deinen
Hals hängt, ist nicht zufällig ein Otterpott, oder?»
    «Ich weiß
ja nicht, worüber ihr beide redet», sagte Soraya Khalifa zufrieden, «aber es
tut gut, hier im Haus wieder diesen alten Unsinn zu hören.»
    Damit war
die Geschichte allerdings noch nicht vorbei, denn gerade, als Luka sich
entspannte, weil er dachte, er hätte es endlich geschafft, hörte er aus einer
Ecke des elterlichen Schlafzimmers ein unangenehmes Blubbern und sah zu seinem
Entsetzen gleich darauf eine Kreatur, von der er angenommen hatte, sie zum
letzten Mal gesehen zu haben, als der Alte Knabe sie in die Tiefen des
Weltalls geschleudert hatte. Der Kerl trug kein zinnoberrotes Buschhemd mehr
und auch keinen Panamahut; außerdem wirkte er färb- und gesichtslos, denn
Raschid Khalifa war
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