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Rushdie, Salman

Rushdie, Salman

Titel: Rushdie, Salman
Autoren: Luka und das Lebensfeuer
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fragte Luka. «Hat es dir die Sprache verschlagen?»
    «Knurr»,
machte Hund der Bär.
    «Oh»,
sagte Luka, der jetzt begriff. «Nun ist es mit der Magie also endgültig vorbei,
wie? Und von jetzt an seid ihr nur mein ganz gewöhnlicher Hund und mein ganz
gewöhnlicher Bär, und ich bin mein ganz gewöhnliches Ich.»
    «Wuff»,
sagte Bär der Hund, sprang Luka an und leckte ihm über das Gesicht. Luka
drückte ihn fest an sich. «Nach dem, was du gerade für mich getan hast», sagte
er, «werde ich nie mehr zulassen, dass irgendwer glaubt, Hunde brächten
Unglück, denn für uns alle war es wirklich ein glücklicher Tag, als du mein
Hund geworden bist.»
    «Könnte
mir vielleicht jemand erklären, was hier vor sich geht?», verlangte Soraya mit
matter Stimme zu wissen.
    «Alles in
Ordnung, Mama», sagte Luka und nahm sie in die Arme. «Beruhige dich. Das Leben
ist endlich wieder ganz normal.»
    «An dir
ist nichts normal», antwortete seine Mutter und küsste ihn auf den Kopf. «Und
ein normales Leben? In dieser Familie gibt es so etwas nicht.»
     
    *
     
    Auf dem
Flachdach von Khalifas Haus deckte man an jenem kühlen Abend den Tisch unter
den Sternen - ja, die Sterne leuchteten wieder am Himmel! -, und ein Festmahl
wurde aufgetragen, ein Festmahl mit köstlichem, langsam gebratenem Fleisch und
rasch in der Pfanne gedünstetem Gemüse, mit sauer Eingelegtem und Süßigkeiten,
kaltem Granatapfelsaft und heißem Tee, aber auch mit einigen selteneren Speisen
und Getränken, mit Glückssuppe etwa, Wonnecurry und einer großen Portion
Erleichterungseis. Im kleinen Otterpott lagen mitten auf dem Tisch die
verbliebenen fünf Otterkartoffeln und glühten sanft vor lauter Lebensfeuer.
«Also diese andere Soraya, die du so gern magst», fragte Soraya Khalifa ihren
Luka und klang dabei fast ein wenig eifersüchtig, «die hat gesagt, wenn ein
gesunder Mensch davon isst, könnte er lange leben, vielleicht sogar für immer?»
    Luka
schüttelte den Kopf. «Nein, Mama», antwortete er, «das hat nicht die Insultana
von Ott gesagt, sondern Ra, der Allerhöchste.»
    Obwohl sie
ihr Leben mit dem berühmten Schah von Bläh verbrachte, hatte Soraya Khalifa all
dieses fantastische Zeugs nie ganz verstanden, das sie sich nun nicht nur von
ihrem Mann, dem Geschichtenerzähler, sondern auch von den beiden Söhnen
anhören musste. Heute Abend gab sie sich allerdings große Mühe. «Und dieser
Ra...», begann sie, und Luka beendete den Satz für sie: «... hat es mir
persönlich gesagt, auf Hieroglyphisch, was für mich von einem sprechenden
Eichhörnchen namens Ratatat übersetzt wurde.»
    «Ach, ist
auch egal.» Soraya gab es auf. «Ende gut, alles gut, und was diese sogenannten
Otterkartoffeln angeht, so stelle ich sie einfach in die Speisekammer. Dann können
wir später immer noch überlegen, was wir damit anfangen.»
    Luka hatte
sich schon gefragt, wie es wäre, wenn sie alle ewig leben würden, er, sein
Bruder, seine Mutter und sein Vater. Er fand die Vorstellung eigentlich nicht
aufregend, sondern eher ein wenig beängstigend. Vielleicht hatte sein Hund Bär
ja doch recht, und es war besser, ohne Unsterblichkeit auszukommen, selbst ohne
eventuelle Unsterblichkeit. Ja - vielleicht war es wirklich am besten, Soraya
versteckte die Otterkartoffeln irgendwo, bis die Khalifas langsam vergaßen,
dass es sie gab, und es den Kartoffeln in ihrem Pott zu langweilig wurde, darauf
zu warten, dass jemand sie aß, und sie sich über die Grenze in die Welt der
Magie davonmachten. Dann würde die reale Welt wieder ganz real, und das Leben
würde nichts anderes mehr sein als das Leben. Und das wäre auch mehr als
genug.
    Am
Abendhimmel funkelten die Sterne. «Wir wissen ja», sagte Raschid Khalifa, «dass
die Sterne hin und wieder tanzen, und dann kann so allerhand passieren. In
manchen Nächten aber tut es gut, alles an seinem rechten Platz zu sehen, sodass
wir uns ganz entspannt zurücklehnen können.»
    «Entspannt
zurücklehnen? Was für ein Unsinn», sagte Soraya. «Mag sein, dass die Sterne
heute nicht tanzen, aber wir tanzen ganz bestimmt.»
    Sie
klatschte in die Hände, und sofort stellte sich Hund der Bär auf die
Hinterbeine und stampfte den Afrikanischen Gummistiefeltanz, und Bär der Hund
sprang auf und jaulte aus Leibeskräften einen Top-Ten-Schlager, bis die Familie
Khalifa mit Begeisterung in den Hundegesang einfiel, es auf den Stühlen nicht
länger aushielt und mit Hingabe das Tanzbein schwang. Und hier verlassen wir
sie nun, den
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