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Rushdie, Salman

Rushdie, Salman

Titel: Rushdie, Salman
Autoren: Luka und das Lebensfeuer
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Gottheiten die Festung
der Aalim verheerte, wozu ein lautes, gellendes, merkwürdig miauendes Geräusch
ertönte, rief Luka Soraya zu: «Das ist unsere Chance!», und im selben Moment
schwang sich der fliegende Teppich hoch in den Himmel auf und trug seine
Besatzung in Windeseile davon.
    Die Flucht
war nicht einfach. Die Aalim stellten sich dem letzten Gefecht, ihre Tage waren
gezählt, doch ein paar Gefolgsleute hielten ihnen noch die Treue. Gerade hatte
Soraya Kurs auf die Bunde, das Ufer des Flusses Silsila, genommen, von dem aus
Luka in die reale Welt zurückspringen musste, als eine Schwadron absonderlicher,
einbeiniger Flugungetüme, nämlich Chinas Regenvögel, die sagenhaften Shang
Yang, den fliegenden Teppich von oben angriff. Die Shang Yang konnten in ihren
Schnäbeln ganze Flüsse tragen, die sie nun auf Resham herabregnen
ließen, weil sie das Feuer im Otterpott um Lukas Hals löschen wollten. Der
Teppich schlingerte und sackte unter dem Gewicht der niederbrausenden Wasserfälle
in die Tiefe, fing den Sturz aber bemerkenswert rasch wieder ab, ging erneut
auf Kurs und flog weiter. Die Regenvögel setzten ihren Angriff fort; fünf,
sechs, sieben Mal prasselten ihre Fluten aus dem Himmel nieder, und die
Luftreisenden taumelten, stürzten und rollten gefährlich nah an den
Teppichrand. Doch die Schutzblase hielt. Schließlich ging der Wasservorrat der
Shang Yang zur Neige, und sie flatterten missmutig davon. «Ja, es ist gut, dass
wir diesem Angriff standgehalten haben, aber deshalb sind wir noch lange nicht
aus dem Schneider», warnte Soraya den jubelnden Luka. «Mit einem letzten
verzweifelten Versuch wollen die Aalim verhindern, dass das Lebensfeuer in die
reale Welt gelangt. Erinnerst du dich an dieses grässliche, erbärmliche Miauen,
das du bei unserer Flucht aus der Wolkenburg gehört hast? Da haben die Aalim
ihren letzten Trumpf ausgespielt, und jetzt kommen wir vielleicht vom Regen in
die Traufe. Denn das, muss ich dir leider sagen, war nichts anderes als ein
Lockruf, mit dem die tödlichen Regenkatzen losgelassen wurden.»
    Und
tatsächlich - höchste Zeit, endlich das Thema auf Katzen zu bringen! - begann
es in diesem Moment Katzen zu regnen, einen wahren Sturzbach aus Regentigern
und Regenlöwen, Regenjaguaren und Regengeparden, Wassermiezen mit Flecken und
Streifen in jeder nur erdenklichen Couleur, bestehend aus Regen, den die Aalim
in säbelzahnige Wildkatzen verwandelt hatten. Sie fielen, wie Katzen eben
fallen, geschmeidig und furchtlos. Wenn sie gegen die unsichtbare Schutzblase
um den fliegenden Teppich prallten, fuhren sie die Krallen aus und klammerten
sich fest. Bald hingen Aberhunderte, gar Tausende Regenkatzen an der Blase und
fügten ihr mit langen, mächtigen Klauen großen Schaden zu. «Ich fürchte, unser
Schutzschild gibt bald nach», rief Soraya, «und wir können nicht gegen sie
kämpfen, dafür sind es zu viele.»
    «Nein,
sind es nicht! Kommt doch her, ihr Stubentiger! Wir werden euch schon zeigen,
wo der Hammer hängt!» Tapfer knurrte Bär der Hund die krallenden, kratzenden
Regenkatzen an, und der Alte Knabe machte sich bereit, wieder zu voller Größe
anzuwachsen, doch Luka wusste, dass dies alles nur Drohgebärden waren. Gegen
mehrere tausend heißblütige Zaubermiezen kam selbst der große Titan nicht an,
und obwohl Bär und Hund (und vielleicht sogar Kojote) gewiss bis zum letzten
Blutstropfen gekämpft hätten und Soraya zweifellos noch jede Menge Tricks aus
dem Ärmel schütteln konnte, waren sie gegen eine solche Überzahl letzten Endes
machtlos. «Jedes Mal, wenn ich glaube, wir haben es geschafft», dachte Luka,
«schiebt sich mir ein weiteres unüberwindbares Hindernis in den Weg.» Er nahm
Sorayas Hand und drückte sie. «Ich habe nur noch hundertfünfundsechzig Leben
und fürchte, die reichen nicht aus, um diese letzte Prüfung zu bestehen», sagte
er. «Sollten wir jetzt also doch noch verlieren, will ich mich vorher
jedenfalls bei dir bedanken, denn ohne deine Hilfe hätte ich es nie so weit
geschafft.» Die Insultana von Ott erwiderte den Druck seiner Hand, doch als ihr
Blick über seine Schulter fiel, zog auf einmal ein breites Lächeln über ihr
Gesicht. «Kein Grund, dummerjunge, gleich sentimental zu werden», sagte sie,
«denn du hast dir nicht bloß viele Feinde gemacht, an denen es dir nun wirklich
nicht mangelt. Schau dich um. Du hast auch ein paar ziemlich mächtige Freunde
gewonnen.»
    Gewaltige
Wolkenbänke türmten sich hinter dem fliegenden
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