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Runlandsaga - Sturm der Serephin

Runlandsaga - Sturm der Serephin

Titel: Runlandsaga - Sturm der Serephin
Autoren: Robin Gates
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Schnauze nähert sich der Wunde in der Schulter der Wölfin. Sie zuckt kurz zusammen, als der Wächter die offene Stelle mit seiner kühlen, feuchten Nase berührt.
    Er hat dich mit einem Pfeil verwundet. Der Zweibeiner war ein Jäger. Gut, dass du ihn sofort gefunden hast, als ich dich rief und dir sagte, dass ich die Anwesenheit eines Fremden fühlte. Er hätte niemals so nahe an die Alte Stadt herankommen dürfen. Der Stamm muss noch besser Acht geben. Es gelangen zwar nur sehr selten Jäger in diese Gegend, dennoch dürft ihr nicht unvorsichtig werden! Wenn je bekannt wird, dass die Voron hier leben, werden mehr Zweibeiner hier auftauchen, als euch lieb ist.
    Im Geist der Wölfin entsteht das Bild eines Heuschrecken-schwarms, einer ungeheuren fliegenden Wolke, deren Größe die Sonne verdunkelt, als sie wirbelnd über den Himmel zieht und sich auf einer Baumgruppe niederlässt, um zu fressen. Zurück bleiben kahle, zerstörte Äste, heimgesucht von Tausenden gieriger Mäuler, Gerippe vor einem grauen Himmel.
    Wenn sie von uns erfahren, werden sie kommen und uns jagen, fährt die unhörbare Stimme des Wächters fort.
    Das darf niemals geschehen. Es war richtig, dass du den Zweibeiner getötet hast, obwohl du nicht hungrig warst.
    Ein weiteres Bild gleitet durch den Verstand der Wölfin, ein starrer, toter Körper auf dem Waldboden. Ein Bär rollt ihn schnaufend mit Kopf und Pranken auf die Seite, bevor er sein Maul in ihn vergräbt.
    Er wird den Hunger eines anderen stillen. So dient auch er dem Leben, wie wir alle es tun, selbst wenn wir töten.
    Talháras läuft vor der Wölfin auf dem Boden der Höhle auf und ab, als fiele es ihm schwer, ruhig zu bleiben. Sie fühlt seine Anspannung und ist beunruhigt. Was könnte dem Wächter des Stammes Sorgen bereiten?
    Das ist aber nicht der einzige Grund, weshalb ich dich gerufen habe. Ich spüre eine Gefahr, größer als alles, was uns jemals von den Zweibeinern drohte.
    Mit einem Mal hält Talháras stocksteif inne. Im Dunkel ist er für die suchenden Blicke der Wölfin nichts weiter als die Ahnung von etwas Lebendigem dicht vor ihr, aber für die empfindlichen Sinne ihres Gehörs und ihrer Nase leuchtet er strahlend wie ein Blitz an einem nächtlichen Gewitterhimmel. Seine roten Augen drehen sich mit wachsender Geschwindigkeit, wirbeln wie Räder um ihre beiden dunklen Mittelpunkte, die immer weiter anschwellen. Der Boden der Höhle verschwindet. Die Wölfin stürzt in einen tiefen Schacht, so schwarz wie das Innerste der Augen des Wächters, tiefer und tiefer, bis plötzlich ein neues Bild in ihrem Geist entsteht, das eines weiten Sandstrandes, auf den schäumende Wellen zurollen, bevor sie sich wieder zurückziehen, um erneut über das Ufer zu stürzen.
    Die Wölfin hat niemals zuvor das Meer erblickt. Sie kennt nichts anderes als das Blätterdach des Roten Waldes, aber die Menschenfrau in ihr hat Geschichten von dem großen Nördlichen Ozean gehört. Sie weiß, dass dies kein See ist, sondern die graue, endlose Weite, von der die Landmasse Runlands umgeben ist. Scheu streckt sie, die das sichere Dickicht und den Schutz der Bäume gewohnt ist, die Nase in den Wind und nimmt die salzige Witterung dieses Ortes auf, der sich ohne jede Deckung in alle Richtungen ausdehnt. Ihr Blick schweift den Strand entlang und wandert an einer Steilklippe empor, die das graue Gestein einer Festung der Zweibeiner krönt. Ein pechschwarzer, schlanker Turm überragt deren Mauern. Wie ein finsterer Speer bohrt er sich in den Himmel über der Klippe.
    Etwas an diesem Bild beginnt die Wölfin zu ängstigen. Sie vermag nicht zu erkennen, was genau es ist – die Art, wie dieser Turm aus schwarzem Gestein gleich einer spitz zulaufenden Waffe über die Landschaft hinausragt, oder wie sich die Wolken allmählich über der Festung zusammenzuballen beginnen wie eine Faust.
    Dann aber erkennt sie es: Die Masse aus Wolken bewegt sich viel zu schnell, und der schmutziggraue Wirbel, in dessen Mitte der schwarze Turm hineinragt, vergrößert sich mit jeder Drehung.
    Plötzlich ist die salzige Meeresluft drückend wie kurz vor einem schweren Gewitter. Das Fell der Wölfin sträubt sich. Es ist, als stünde ihr ein Feind gegenüber, der ihr Leben bedroht, den sie aber nicht entdecken kann. Die Muskeln in ihren Beinen fühlen sich hart und angespannt an. Als der erste Blitz aus dem Turm in den finsteren Himmel fährt, jault sie erschrocken auf und springt mit einem so gewaltigen Satz zur Seite, dass ihre
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