Rune

mir.
    Erst mußte ich wieder gesund werden, innerlich und äußerlich. Ich klammerte mich an eine Phantasie, die ich mir schwor, eines Tages wahr werden zu lassen. Darin war ich wieder gesund und munter und hatte mir einige Griffe auf der Gitarre beigebracht. Und eines Tages, vielleicht im Winter, vielleicht nächstes Frühjahr, würde ich eine letzte Fahrt in Richtung Norden machen, um mir eine Landschaft zu betrachten, die ganz anders aussehen würde als beim letzten Mal. Dann würde ich durch die Überreste des Haines wandeln, die Asche von Tri-Lakes unter meinen Füßen zermahlen und gegen die verkohlten Baumstümpfe treten. Und eine Siegeshymne auf Ricks Gitarre spielen. Das bin ich ihm schuldig. Ihnen beiden.
    Aber ich greife vor.
    An jenem regnerischen Sonntagnachmittag wartete ich auf den Abend. Shelly Potter würde mich wieder besuchen. Der Altersunterschied schien mir kein Hindernis mehr zu sein. Sie war eines der wenigen Dinge, die mit dieser Prüfung in Verbindung standen und sie ohne Schaden überlebt hatten, und ich konnte sie nicht einfach so gehen lassen. Ich war mir ziemlich sicher, daß sie ähnlich fühlte. Als wäre ich in meinem derzeitigen Zustand besonders empfänglich für die Gedanken anderer.
    Da war etwas zwischen uns. Etwas Kleines, das noch wachsen würde. Ich hatte es tags zuvor in ihren Augen gesehen. Doch ebenso hatte ich gesehen, daß sie auch etwas anderes deutlich begriff – daß alles, was da war, aus einer verzweifelten Lage heraus entstanden war. Und wenn so etwas geschieht, weiß man nicht wirklich, ob es von Bestand sein wird, sobald das Leben wieder in ruhigeren Bahnen verläuft und man wieder im Alltag steht.
    Doch man versucht es. Und man hofft. Und stellt sich dem, was kommt.
    Ich faltete die Hände über meinem Bauch und begann mein geduldiges Warten auf die Nacht, während der Regen sanft und stetig gegen das Fenster pochte.
    Denn die Thorfinnssaga war nun beendet.