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Rune

Rune

Titel: Rune
Autoren: Brian Hodge
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mußte.
    Schließlich sackte er zusammen und war nur noch ein Häufchen auf dem Boden, das schwach mit Armen und Beinen zuckte und sich dann nicht mehr rührte. Sein Gesicht entspannte sich, sein zerschundenes Gesicht …
    Sieh ihn nicht an …
    Nur der Hain, das war alles. Ich und der Hain. Ein Zweikampf.
    Ich hinkte darauf zu, und mittlerweile fiel stärkerer Regen, eiskalt und mich bis auf die Knochen durchweichend. Mein rechtes Bein schlurfte hinter mir her, eine pochende, schmerzende Masse, seit ich aus dem Auto gesprungen war und es beim Kampf gegen Aaron benutzt hatte.
    Ich ergriff die Axt mit beiden Händen und ignorierte den Schmerz in meinem linken Handgelenk – all das Hacken von Feuerholz, das ich so gerne mit Dad ausgeübt hatte, war nur ein Vorspiel für diese Nacht gewesen. Ich kam näher, vorbei am Wrack meines Wagens, näher, vorbei am Runenstein, noch näher, und dann erhob sich der ungeheuerliche Baum über mir, und im Innern des Haines hörte ich das sanfte Fallen des Regens.
    Hack ihn in Stücke, in Fetzen, laß davon nur Splitter übrig …
    Ich holte jetzt grinsend mit der Axt aus und bereitete mich auf den Schlag vor …
    Die Bäume begannen sich zu regen, und mit einem Male begriff ich, was Rick hatte durchstehen müssen. Denn damals hatte es keinen Wind gegeben, der stark genug gewesen wäre, den Baum nach vorne zu neigen. Er griff nach mir mit Ästen, die keine Äste mehr waren, sondern Arme. Das Holz stöhnte und knirschte wie der Mast eines Segelschiffes, und ein tiefer Baß vibrierte im Grund unter meinen Füßen.
    Und da wußte ich, daß ich ein für allemal dran war.
    Ein dünner Zweig peitschte mein Gesicht und schlug eine Wunde von der Wange bis zum Kinn. Ich versuchte, zur Seite zu springen, kam sogar einige Schritte weit, doch dann ergriff ein dickerer Ast meine Fußknöchel, wand sich fest darum und zog mich zurück – zurück und hoch. Plötzlich wurde ich mit dem Kopf nach unten emporgezerrt und baumelte über dem Boden – vier Meter, zehn, fünfzehn. Ich hing da wie ein Kaninchen in der Schlinge und schwang hin und her. Ich hatte die Axt noch, wenn auch gerade nur in den Fingerspitzen.
    Der dünne Zweig zischte wieder durch die Luft und peitschte mein Handgelenk, um mich dazu zu bringen, die Axt fallen zu lassen. Ich griff mit der linken Hand nach der Gerte und erwischte sie. Sie glitt heraus und hinterließ eine brennende Spur des Schmerzes in meiner Handfläche.
    Ich wand und drehte mich und hatte jeden Orientierungssinn verloren, und gleich würde ich auch noch den Verstand verlieren, weil es solche Dinge einfach nicht geben konnte!
    Finger aus Rinde bearbeiteten mich, rissen an einem Dutzend Stellen an meinen Kleidern und meiner Haut. Ich hieb mit der Axt nach allem, was sich bewegte, und auch nach vielem, was sich nicht bewegte, und Splitter regneten hinab auf den Boden, so tief unter mir …
    Aber diese Astfesseln waren noch immer zu stark, und sie begannen, mich hinabzulassen …
    Hinab zu einem gähnenden Loch zwischen zwei Astgliedern des Baumes, die dicker waren als mein Leib …
    Ein Loch, das stöhnte und sich öffnete wie ein dunkler, zorniger Mund …
    Ich trat und schlug mit jedem Fünkchen Kraft, das ich noch aufbieten konnte, dann gelang es dieser beharrlichen Gerte, sich um mein Handgelenk zu winden wie eine Schlange, und plötzlich war die Axt nicht mehr in meinen Händen, fort für immer, prallte ab von Ästen und landete unten auf dem Boden.
    Der Boden …
    Von irgendwo da draußen kam das Licht zweier Scheinwerfer, und darin konnte ich Aaron erkennen. Er sah so klein aus, so weit weg; er taumelte. Aaron und Aaron allein, der sich auf die Bäume zubewegte.
    Von dort unten mußte ich wohl aussehen wie ein Matrose im Griff eines sagenhaften Riesenkraken, jener Bestie, die jeden Tentakel, den man abschlagen kann, durch zwei weitere ersetzte.
    Scheinwerfer … und Aaron, der hochsah … und dann verlor ich ihn aus der Sicht. Er mußte wohl direkt am Fuß des Baumes sein.
    Ich konnte ihn nicht sehen, aber hören. Einen solch herzzerreißenden Schrei der Qual habe ich nie wieder in meinem Leben gehört. Es war keine körperliche Qual, dessen war ich mir ziemlich sicher. Es war geistige Qual. Seelische. Und sämtliche Haare an meinem Leib stellten sich auf.
    Die Äste, die mich hielten, schienen sich alle auf einmal zu lösen, und dann war ich frei und ohne Gewicht und konnte nur noch die Kälte der Nacht und das Tropfen des Regens fühlen. Ich war ein dunkler
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