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Rune

Rune

Titel: Rune
Autoren: Brian Hodge
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jemanden, der das Leben lebenswert gemacht hatte, einen Sarg auszusuchen. Jemand, dessen Überreste vermutlich in eine kleine Urne paßten.
    Sie kamen am Nachmittag wieder und saßen lange Zeit bei mir. Niemand von uns war sehr gesprächig. Nachdem sie wieder fort waren und ich allein in diesem Raum blieb, bemerkte ich, daß ich nicht mehr einschlafen konnte. Zeit, sich der Wahrheit zu stellen – allein.
    Phil brachte mir am Abend etwas Zerstreuung, als er mit finsterer Miene erschien. Er erwähnte die schrecklichen Dinge, die ich ihm tags zuvor am Telefon an den Kopf geworfen hatte, mit keinem Wort. Er benahm sich, als sei das nie passiert. Und das war das schönste Geschenk, das man mir an diesem Tag machen konnte.
    Mit Ausnahme der unwahrscheinlichen Vorstellung, Aaron durch die Tür kommen zu sehen.
    Ich ging die Tatsachen wieder und wieder durch und fragte mich, warum Olaf Aaron statt meiner genommen hatte. Es lag wohl an den Umständen. Ich war der ältere, ganz wie Thorfinn. Aaron war jünger und manchmal vielleicht noch etwas flatterhafter gewesen. Und ich hätte mir nie vorstellen können, daß es so kommen würde, bis es viel zu spät war. Doch hätte Olaf einen größeren Triumph feiern können, als Thorfinns Nachfahren aufeinander zu hetzen?
    Ich denke gern, daß man Aaron dort oben vor die Wahl gestellt hatte: entweder gemeinsam mit Olaf zu existieren oder gemeinsam zugrunde zu gehen.
    Und Aaron hatte seine Entscheidung edel getroffen. Am Ende hatte Aarons Mut den aller anderen übertroffen, die Olaf gegenübergestanden hatten, ob sie es überlebt hatten oder nicht.
    Vom letzteren wußte ich, daß es stimmte. Aber ersteres? Ich würde es nie erfahren. Also verbrachte ich viel Zeit damit, aus dem Fenster zu starren. Und ich erinnerte mich an einen Bibelvers: »Mehr hat kein Mann je geliebt als der, welcher sein Leben hingab für seine Freunde.«
    Und es kann keine besseren Freunde geben als zwei Brüder, die durch das Band der Liebe miteinander verknüpft sind.
    Später am Abend hatte ich noch weiteren Besuch, als der Klang einer sanften Stimme gerade recht kam. Shelly Potter kam herein, in einen Parka gewickelt und nur ganz leise auftretend. Sie stand an meiner Seite und berührte meine heile Hand. Blinzelte sie Tränen weg? Ja, ich glaube schon.
    »Erzähl mir nur nicht, wie gut ich aussehe«, sagte ich.
    Sie schüttelte den Kopf und biß sich auf die Lippe. Streichelte meine Hand. »Besser jedenfalls als letzte Nacht«, entgegnete sie schließlich.
    »Vielleicht.« Ich sah wieder aus dem Fenster; nichts hatte sich geändert. »Alles ist schiefgelaufen.«
    Ich schüttelte den Kopf, und etwas im Innern rasselte. Zeit für eine neue Pille.
    Ihr Griff wurde fester.
    »Scheint so, daß es unser Geheimnis bleiben wird.« Ich lachte das Lachen eines alten Veteranen, der zu viel Blutvergießen erlebt hat, um je wieder zu wissen, was Humor ist. »Alle glauben, Aaron und ich hätten dort oben Scheiße gebaut. Ich will das nicht alles erklären müssen …« Ich sah auf meinen Gips. Es gab noch keine Unterschriften darauf. Jungfräuliches Gebiet.
    Shelly räusperte sich. »Kannst du es mir jetzt sagen?«
    »Noch nicht. Gib mir noch etwas Zeit, ja?«
    Sie nickte und senkte den Kopf. Dann griff sie in die Taschen ihres Parkas und zog einen gefalteten Papierbogen hervor. Sie betrachtete mich unter ihrem Pony. »Ich habe da etwas, das du lesen solltest, wenn es dir nichts ausmacht.«
    »Nein, gib her.«
    Sie faltete das Papier auseinander und gab es mir, und ich blickte auf das erste Blatt. Es war ein maschinengeschriebener Artikel in zwei Spalten, gesetzt für den Computerscanner der Zeitung.
    »Das erschien heute abend.«
    »Hast du es geschrieben?«
    Sie nickte.
     
    Feuersbrunst im Landkreis
     
    Gestern abend wurde die Feuerwehr von einem Anwohner der Route 37 zu dem ehemaligen Bauprojekt Pleasant Hills gerufen. Der Anwohner hatte auf eine Meile Entfernung Flammen gesehen. Ein ganzes Wäldchen brannte völlig nieder, doch die Feuerwehr brachte die Flammen unter Kontrolle, bevor sich der Brand weiter ausbreiten konnte.
    Das Feuer war offenbar das Ergebnis eines Verkehrsunglücks, bei dem der Fahrer des Wagens, Chris Anderson, verletzt und sein jüngerer Bruder Aaron getötet wurde. Chris Anderson, 18 Jahre alt und Einwohner von Mount Vernon, liegt zur Stunde im Krankenhaus.
    Auch einige der Feuerwehrmänner trugen während ihres Kampfes gegen die Flammen kleinere Verletzungen davon, wofür man die große Hitze
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