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Rune

Rune

Titel: Rune
Autoren: Brian Hodge
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zu verbringen. Und wie uncool es auch für einen Typen in meinem Alter sein mag, das zuzugeben, ich stand meiner Familie ziemlich nahe – meiner Mutter, meinem Vater und meinem zwei Jahre jüngeren Bruder Aaron.
    Der Sonntag nach der Abschlußfeier war still und verregnet und bot einen idealen Nachmittag für warme und angenehme Erinnerungen, auf die man zurückschauen und sich fragen kann, wo all die Tage geblieben sind. Später sah ich, wie Aaron aus seinem Fenster den Regen anstarrte.
    »Hey«, rief ich an seiner Tür, »lebst du noch?«
    Er bewegte sich nicht. Er sagte nur sehr leise: »Mir geht’s beschissen.«
    Ich trat ein und ließ mich auf sein Bett fallen. »Wieso das?«
    »Wir wollten heute an den See gehen. Ich, Mitch und Bobby.«
    Ein Blitz zuckte draußen, Donner grollte, und Regen prasselte ans Fenster.
    »Ohne Hürdenspringer?«
    Aaron lachte schnaufend. »Der am Strand? Das soll wohl ein Witz sein.«
    Hürdenspringer war ebensowenig ihr Freund, wie er der unsere war. Doch sie brauchten ihn. Hürdenspringer bekam Alkohol, weil er alt genug aussah, mehr oder weniger. Aaron und seine Freunde hatten früher mich gebeten, ihr Zeug zu kaufen, weil ich einen gefälschten Ausweis besaß und damit immer durchkam, aber ich hatte nie ein sonderlich gutes Gefühl dabei. Ich machte mir Sorgen, ganz wie ein großer Bruder es sollte. Und so fing ich an, mich rar zu machen, wenn ich wußte, daß sie ausgehen wollten. Daraufhin wandten sie sich an Hürdenspringer. Er war immer auf der Suche nach jemandem, mit dem er ausgehen konnte. Das ist das Los der Hürdenspringer dieser Welt.
    Ich lehnte mich zurück auf Aarons Bett und betrachtete mir die Poster an der Decke. Vanna White in zwei Teilen. Weitere Poster schmückten die Wände, die meist Rockgruppen und Sternchen zeigten, deren Namen nach einem Jahr im Rampenlicht vergessen sind. Kennt jemand noch Pia Zadora?
    »Was habt ihr Freitag nach der Abschlußfeier gemacht?« fragte Aaron.
    Ich zuckte die Schultern. »Nicht viel. Hinterher gingen Phil, Rick und ich noch auf ’ne Party. Ein paar Mädchen haben mir Glücksküsse gegeben.«
    Aaron grinste zustimmend. »War Valerie nicht da?«
    »Sie hatte mir für die Nacht freigegeben.«
    »Das Beste aus zwei Welten, was?«
    »Ja. Zuerst sind wir einfach nur herumgefahren. Wir haben einen guten Platz für den Sommer gefunden, richtig abgeschieden. Ein Bauprojekt, das geplatzt ist, wie Phil sagt. Wir haben es Tri-Lakes genannt.«
    »Wo ist das?«
    »Ungefähr sieben Meilen nördlich der Stadt, abseits der Route 37. Ich werde dich mal mitnehmen.«
    Aaron nickte und sah dann wieder aus dem Fenster, spielte an seinen Fingern, und seine Augen klagten stumm das Wetter an. Ich lehnte mich gegen das Regal über seinem Bett und faltete die Hände hinter dem Kopf.
    »Es ist ja nicht so, daß du noch den ganzen Sommer vor dir hättest.«
    Aaron nickte mürrisch. »Schon. Aber dieses Jahr wollen sie, daß ich mir einen Ferienjob suche. Ich wünschte, sie hätten mit der Scheiße nie angefangen.«
    Ich machte einen Ball aus einem herrenlosen Paar Socken und warf ihn durchs Zimmer. »Du hast doch gerade deinen Führerschein gemacht. Du willst doch fahren, oder?«
    »Sicher.«
    »Und womit willst du fahren, wenn du kein Geld für den Sprit verdienst? Man kann sich nicht immer aus dem elterlichen Topf bedienen, weißt du.«
    Er nickte halbherzig. »Laß mir doch mein Selbstmitleid, in Ordnung?« Er wies aufs Fenster und grinste. »Das ist alles, was ich heute habe.«
    »Hast du dich schon irgendwo beworben?« fragte ich.
    Er warf mir einen verschmitzten Blick zu. »Sie glauben, ich hätte mich an ein paar Stellen beworben. Aber ich habe noch nicht den Nerv dazu gehabt.«
    Ich hob einen Finger. »Wie wär’s, wenn du es mal in Chuck Wagons Steak-Haus versuchst?« Chuck Wagon hatte mir vor einigen Jahren meinen ersten Sommerjob verschafft. Es war keine schlechte Arbeit gewesen, doch die nächsten Monate konnte ich kein Rindfleisch mehr sehen. »Ich wette, daß sie dich dort nehmen. Die suchen stets nach Frischfleisch.«
    Aaron rümpfte die Nase und stimmte nicht in mein vorsätzlich dummes Lachen ein. Also fing ich an, ihm Geschichten über die Tage zu erzählen, die ich dort verbracht hatte – wie einige von uns Pastetendosen mit dem Müll rausgeschmuggelt hatten und sie nach der Arbeit runterschlangen. Wie es dort abging, wenn der Manager beschloß, früher zu fahren, und wir dann zusperrten. Wieviel Spaß wir dabei hatten, Krautsalat
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