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Ruhig Blut!

Ruhig Blut!

Titel: Ruhig Blut!
Autoren: Terry Pratchett
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worden, und Schlamm bildete dicke Krusten auf seinem Man-
    tel. Das Leder der Schuhe hatte lange Risse, und die Schnal en waren in
    den Moorpfützen angelaufen. Aber es mußte doch noch irgendwo ein
    sauberes Hemd zu finden sein…
    Jemand versuchte, an die nasse Zeltplane zu klopfen. Nach einer Pause
    von einer halben Sekunde kam die betreffende Person ins Zelt.
    »Darf ich eintreten?« fragte Nanny Ogg und musterte den Priester von
    Kopf bis Fuß. »Da draußen warten al e auf dich. Verlorene Schafe, die
    geschoren werden möchten, könnte man sagen«, fügte sie hinzu. Gewis-
    se Signale deuteten darauf hin, daß ihr derzeitiges Verhalten auf einem
    Kompromiß mit sich selbst basierte.
    Himmelwärts drehte sich um.
    »Frau Ogg, ich weiß, daß du mich nicht sehr magst…«
    »Ich weiß nicht, warum ich dich überhaupt mögen sol te«, sagte Nanny.
    »Immerhin bist du Esme gefolgt, und sie mußte dir beim Weg über die
    Berge helfen.«
    Die Antwort kreischte in Himmelwärts’ Hals, bevor er das wissende
    Funkeln in Nannys Augen sah. Es gelang ihm, die scharfen Worte in ein
    Hüsteln zu verwandeln.
    »Äh… ja«, sagte er. »Ja. Dumm von mir, nicht wahr? Äh… wie viele
    Personen haben sich dort draußen eingefunden, Frau Ogg?«
    »Oh, hundert, viel eicht auch hundertfünfzig.«
    Hebel, dachte Himmelwärts und dachte kurz an die Bilder in Nannys
    Wohnzimmer. Sie kontrolliert die Hebel vieler Leute. Aber ich wette,
    vorher hat jemand ihren Hebel umgelegt.
    »Und was erwarten sie von mir?«
    »Auf dem Plakat steht ›Abendgottesdienst‹«, sagte Nanny schlicht. »›A-
    bendbier‹ wäre besser.«
    Er ging nach draußen und sah im Licht des späten Nachmittags die
    Gesichter eines großen Teils der Bevölkerung von Lancre. König und
    Königin saßen in der vordersten Reihe. Verence nickte würdevol und
    vermittelte dem Priester die Botschaft: Was auch immer er beabsichtigte
    – er konnte jetzt damit beginnen.
    Nanny Oggs Körpersprache ließ keinen Zweifel daran, daß irgendwel-
    che speziel en omnianischen Gebete nicht toleriert wurden. Himmel-
    wärts begnügte sich mit einem allgemeinen Dankesgebet, das er an die
    Adresse al er Götter richtete, die zufäl igerweise zuhörten – oder auch
    nicht.
    Dann holte er das Harmonium hervor und spielte einige Akkorde, was
    Nanny schon nach kurzer Zeit zum Anlaß nahm, ihn beiseite zu stoßen.
    Sie rol te die Ärmel hoch und entlockte dem Musikinstrument Töne, von
    denen Himmelwärts überhaupt nicht gewußt hatte, daß sie irgendwo
    darin verborgen waren.
    Die Besucher sangen nicht sonderlich begeistert – bis Himmelwärts
    das gräßliche Gesangbuch beiseite legte und einige der Lieder anstimmte,
    die er von seiner Großmutter gelernt hatte. Es waren Lieder vol er Feuer,
    Donner, Tod und Gerechtigkeit, Lieder, deren Melodien man summen
    konnte und deren Titel »Om sol die Ungläubigen zerstampfen«, »Heb
    mich zum Himmel empor« und »Entzünde das gute Licht« lauteten. Diese
    Lieder fanden weitaus mehr Anklang. Die Bewohner von Lancre scher-
    ten sich kaum um Religion, aber sie wußten, wie sie sich anhören sol te.
    Während er vorsang und mit einem Stock auf Worte zeigte, die er auf
    die Zeltplane gekritzelt hatte, beobachtete er seine… Nun, er beschloß,
    die Versammlung seine »Gemeinde« zu nennen. Es war seine erste. Viele
    Frauen und frisch gewaschene Männer gehörten dazu, aber ein Gesicht
    dominierte durch Abwesenheit.
    Mitten im Lied hob er den Blick und bemerkte weit oben einen Adler:
    einen kleinen Fleck, der am Himmel Kreise zog und vielleicht nach ver-
    lorenen Schafen Ausschau hielt.
    Und dann endete der Gottesdienst, und die Besucher gingen stumm.
    Sie wirkten dabei wie Leute, die eine Aufgabe hinter sich gebracht hat-
    ten, die nicht unbedingt unangenehm gewesen war. Der Kol ektentel er
    enthielt zwei Ankh-Morpork-Cents, mehrere Karotten, eine große Zwie-
    bel, einen kleinen Laib Brot, ein Pfund Hammelfleisch, einen kleinen
    Krug mit Milch und eine eingelegte Schweinshaxe.
    »Wir haben nicht unbedingt eine Bargeldökonomie«, erklärte König
    Verence und trat vor. Ein dicker Verband umhül te seine Stirn.
    »Oh, das ergibt eine gute Mahlzeit«, erwiderte Himmelwärts in dem
    übertrieben fröhlichen Tonfal , den viele Leute dem königlichen Ge-
    schlecht gegenüber benutzen.
    »Du wirst doch mit uns speisen, oder?« fragte Magrat.
    »Ich… äh… wol te beim ersten Licht des Tages aufbrechen, Herr.
    Deshalb sol te ich den Abend besser
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