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Ruhe Sanft

Ruhe Sanft

Titel: Ruhe Sanft
Autoren: Annette Meyers
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auf. Was hatte Arleen sagen wollen? Daß Arleen ermordet worden war wie ihr Bruder? War der Mörder noch hier? Eiseskälte begann wie eine Schlange an ihrem Rückgrat hochzukriechen.
    »Hallo, Wetzon.«
    Wetzon warf sich herum. Leon Ostrow stand in einem steifen, sauberen Burberry einige Schritte von ihr entfernt nahe der Tür zum Schlafzimmer.
    »Leon! Phantastisch. Wie bist du hereingekommen, ohne daß ich dich gesehen habe?«
    »Du warst so beschäftigt, meine Liebe. Nachdem Xenia mich erreicht hatte, kam ich direkt hierher, um mit Arleen zu sprechen. Ich sah dich ins Haus gehen und folgte einfach.« Er hatte beide Hände in den Taschen des Regenmantels. Er ging durchs Zimmer, stellte sich neben Wetzon und blickte auf Arleens Körper hinab. Er stieß ihn mit der Spitze seines glänzenden schwarzen, schmal zulaufenden Schuhes an. »Tja, jetzt ist sie wirklich tot.« Er hörte sich fast erfreut an. Er mußte wohl auch an Smith denken.
    Wetzon packte seinen Arm am Ellbogen. »Was stehst du da, Leon? Sollten wir nicht einen Krankenwagen rufen, die Polizei?«
    »Natürlich, meine Liebe.« Er schüttelte sie ab, und ihre Hand fiel an ihrer Seite herunter und streifte den nassen Pelzmantel. »Gewiß rufen wir an. Gewiß. Schließlich bin ich Gerichtsbeamter.« Leon lächelte. Er ging an den Schreibtisch hinüber und zog die Seitenschubladen auf, eine nach der anderen, nahm Papiere heraus, durchwühlte sie. Er ließ sich Zeit.
    Wetzon war verwirrt. Er benahm sich so eigenartig. »Was machst du da, Leon? Sollen wir...« Sie hielt inne. Leons Regenmantel war makellos... seine Schuhe glänzten... nichts war naß. »Leon...« Sie begann, langsam nachzudenken. Tender Care hatte einen Rechtsanwalt für Empfehlungen gebraucht. Peepsie Cunningham hatte einen Anwalt gehabt... Nein, das konnte nicht sein.
    »Ach, Wetzon, meine Liebe.« Leons Augen blinzelten sie durch die Brille an. Er reckte sich. »Das alles tut mir wirklich leid.« Er seufzte und kam um den Schreibtisch herum. »Ich habe dich persönlich immer gern gehabt.«
    Sie zog sich vorsichtig von ihm zurück. Vielleicht entging ihr etwas. »Leon, ich glaube es einfach nicht — du doch nicht.«
    »Bleib, wo du bist, Wetzon.« Er zog eine kleine Pistole aus der Manteltasche und betrachtete sie. »Du weißt, daß es heißt, nach dem ersten wird es leichter. Ich hatte ein spektakuläres Debüt mit dem Journalisten.«
    »Journalist? Du meinst Teddy Lanzman? Nein, das glaube ich nicht.«
    »Er rief in meinem Büro an, nachdem Tormenkov bei ihm ausgepackt hatte. Er ließ mir kaum eine Alternative.«
    »Warum? Leon, sag mir nur das — warum?« Es hatte sie wie ein Schock getroffen, aber ihr Verstand arbeitete präzise. Sie stand zwischen ihm und der Tür. Vielleicht konnte sie weglaufen. Wenn sie ihn am Reden halten könnte, würde sie Zeit gewinnen.
    »Es genügt wohl, meine liebe Wetzon, wenn ich sage, daß ich gewisse finanzielle Verpflichtungen hatte, Verluste an der Börse. Treuhandvermögen, von denen ich Geld abgezweigt hatte, das ersetzt werden mußte. Als Arleen mit ihrem Einfall zu mir kam, schien alles so einfach.« Er stand jetzt über Arleens Leiche; Wetzon machte einen Schritt zurück. Leon schob mit dem Zeigefinger seine Brille auf dem schmalen Nasenrücken hoch und richtete die Pistole auf sie. »Ich habe keine Skrupel, dich jetzt zu erschießen. Dein Problem, Wetzon, ist immer gewesen, daß du nicht weißt, wann du deine Nase aus etwas heraushalten mußt.« Er blickte wieder auf Arleen. »Mit Arleens Pistole wäre es mir lieber, aber wenn es sein muß, tu ich es mit meiner.«
    »Aber alte Menschen, Leon. Wie konntest du?«
    »Wir tun, was wir tun müssen.«
    Sie sprach durch zusammengebissene Zähne. »Bitte, Leon. Überleg dir das genau. Mich zu töten ist lächerlich. Weißt du nicht, daß die Polizei nach ihr sucht und wahrscheinlich auch nach dir?«
    »Jetzt machst du dich aber lächerlich, Wetzon. Warum sollte sie mich suchen?«
    »Weil du nicht Teddy getötet hast. Du hast einen FBI-Agenten getötet, der an seinem Schreibtisch saß.«
    Leons Kopf zuckte zurück. Sein hageres Gesicht bekam einen grünlichen Schimmer.
    »Ach. Dann habe ich also überhaupt nichts mehr zu verlieren.«
    »Was ist mit Smith? Ich dachte, du liebst Smith.«
    »Smith... ja.« Er schien nachzudenken, abzuwägen. »Hm, wir beide wissen, daß Xenia Gott sei Dank allein zurechtkommt. Ich wäre schon auf dem Weg nach Brasilien, wenn diese Schlange nicht so habgierig geworden wäre.«
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