Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ruhe Sanft

Ruhe Sanft

Titel: Ruhe Sanft
Autoren: Annette Meyers
Vom Netzwerk:
Palmen tapeziert. Die Holzteile waren cremefarben. Die Tür der 2F war schwarz lackiert und beeindruckte besonders wegen der wenigen Farbschichten, anders als viele in New York, wo eine Tür gut und gern die Farbschichten von bis zu achtzig Jahren aufweisen konnte. Diese Tür war gründlich abgebeizt worden, bevor man sie neu gestrichen hatte.
    Mit dem Ohr an der Tür der 2F lauschte sie. Das Holz war so dick, daß man unmöglich hören konnte, was drinnen vor sich ging. Sie legte die Hand auf den Knopf, dann zog sie sie zurück. Was zum Teufel suchte sie hier? Sie konnte umgebracht werden, oder nicht? Aber bestimmt hatte Arleen nicht den eigenen Bruder erschossen. Vielleicht konnte sie, Wetzon, Arleen überzeugen, daß sie nicht ungeschoren davonkommen würde. Daß Wetzon als Freundin gekommen sei, um sie zu warnen, daß... Ohne weiter nachzudenken, drehte sie den Knopf, und die Tür ging auf.
    Eine schwarz-braune Fendi-Reisetasche stand direkt an der Tür neben einem ledernen Make-up-Köfferchen. Wetzon trat in eine kleine Diele. Ein gerader Stuhl mit gepolstertem Sitz, ein Regency-Beistelltisch, ein Ölgemälde mit einer Blumenschale, darüber ein kleiner Kronleuchter aus Messing. Ein kleiner Perserteppich auf dem dunklen Parkettboden. Die Diele führte direkt in ein großes Wohnzimmer, das von mehreren über das Zimmer verteilten Porzellanlampen schummrig beleuchtet war.
    Kein Laut drang aus dem Wohnzimmer. Hinter sich hörte Wetzon den Aufzug nach unten poltern. Sie schloß die Tür hinter sich und drang weiter in die Wohnung vor. Das Wohnzimmer war antik eingerichtet. Ein Aubussonteppich, Plüschsofas, Vorhänge. Sehr teures Zeug. Auf einem Marmortisch standen eine Batterie Schnapsflaschen und ein großer kristallener Eiskübel. Die Decke war mindestens fünf Meter hoch, vielleicht höher, und hatte Stuckverzierungen, die noch von Wharton selbst in Auftrag gegeben worden sein mußten, denn niemand führte mehr solche Arbeiten aus, und falls sich doch einer fände, könnte ihn niemand bezahlen, außer vielleicht ein japanischer Geschäftsmann, der in den Vereinigten Staaten lebte und in Yen bezahlt wurde.
    Auf dem Boden neben einem französischen Goldbronzetisch lag ein Haufen aus Pelz — er sah aus wie Arleens Mantel — , achtlos hingeworfen. Wo war Arleen?
    »Arleen?« Wetzon stellte die Einkaufstasche und Hazels Handtasche auf das dick gepolsterte Sofa und ging mit mehr Selbstvertrauen, als sie wirklich empfand, durch das Zimmer. Rechts ging noch ein Raum ab, vielleicht das Schlafzimmer, aber es war dunkel.
    Als sie sich wieder zum Wohnzimmer umwandte, befand sie sich näher an Arleens heruntergefallenem Mantel. Sie rückte einen Stuhl aus dem Weg, kam näher, beugte sich vor und hob den Mantel vom Boden auf.
    Arleen lag auf der Seite, ein grotesker, aufgedunsener Fötus in einem korallenroten Seidenkleid. Der Busen war dunkler korallen und wurde noch dunkler, während Wetzon hinschaute. In der rechten Hand, fast versteckt, war eine Pistole.

»Oh, mein Gott«, stieß Wetzon aus, die Hand vor dem Mund. Sie richtete sich auf, mit zitternden Knien, und ließ sich auf den nächsten Stuhl fallen. Arleen hatte sich selbst getötet. Sie mußte sich klargemacht haben, daß sie nicht durchkommen würde. Wie entsetzlich. Wetzon schlug die Hände vors Gesicht. Sie hatte genug vom Morden. Aber was bedeutete das für Smith? Wenn Arleen tot war, wer würde dann Smith retten?
    Leon selbstverständlich. Leon mußte die Verkaufsabsprachen für Smith getroffen haben. Er konnte für Smith aussagen, erklären, daß sie nichts wußte.
    Sie zwang sich, in Arleens Gesicht zu sehen. Die Blässe schien ein wenig verändert. Im Tod zuckten ihre Augenlider. Wetzon schauderte. Es war vorbei. Sie würde ein Telefon suchen und Silvestri anrufen oder O’Melvany oder die 911...
    »Wetz...«Jemand redete sehr leise und ganz nahe bei ihr.
    Wetzon sprang von ihrem Stuhl auf. Der Laut war von Arleens Leiche gekommen.
    »Wetz...« Da war es wieder. Arleens Lippen zitterten. Der Körper regte sich nicht. »Helfen Sie mir...«
    Wetzon kniete hin, vergaß die Pistole. »Arleen? Es ist alles in Ordnung. Ich rufe einen Krankenwagen.«
    »Nein.« Arleens Augen waren schwarze Schlitze, halb offen, starrend. Wetzon beugte sich tiefer. Die Mischung aus Blut und Giorgio-Parfum löste einen Brechreiz bei ihr aus. »Gehen Sie... Mord...« Ihre Lippen öffneten sich wieder, und rosa Schaum trat aus. Sie war tot.
    Was meinte sie mit »Mord«? Wetzon stand
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher