Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ruhe Sanft

Ruhe Sanft

Titel: Ruhe Sanft
Autoren: Annette Meyers
Vom Netzwerk:
zwischen ihnen zuschlug. Sein Ten war eisig.
    »Warum sagst du das, Silvestri? Bist du sarkastisch? Was soll das heißen: >Ach, wirklich?<« Ein großer Nachtfalter flog gegen ihr Gesicht, flatterte mit seinen samtigen Flügeln, und sie stieß einen Schrei aus, als sie ihn verscheuchte.
    »Was ist bei dir los?« Silvestri war jetzt hellwach und hörte zu.
    »Alles in Ordnung. Es ist nichts, so was Dummes. Nur ein Nachtfalter. Sag mir bitte, was das heißen soll?«
    »Les, wir beide wissen, daß deine Partnerin die rechtmäßige Besitzerin von Tender Care ist, also kannst du das ganze sein lassen...«
    »Nein, Silvestri. Nein, es ist eine abgekartete Sache.« Der Nachtfalter drehte hektische Runden um die nackte Birne der Lampe und prallte von der warmen Fläche ab. »Diese Arleen Grossman ist es eigentlich. Sie hat an Smith verkauft. Smith ist die Betrogene. Du mußt mir glauben.«
    »Du weißt nicht, wovon du sprichst, Les.« Sie hatte jetzt seine ganze Aufmerksamkeit, aber ihr gefiel nicht, was er zu ihr sagte oder wie er es sagte. »Ich sollte nicht einmal mit dir über vertrauliche Mitteilungen während einer Ermittlung sprechen. Du hältst dich aus der Sache heraus und bewegst dich hierher, aber dalli.«
    »Silvestri! Hör mich an. Arleen Grossman ist noch hier. Sie hat die Stadt noch nicht verlassen. Wir können sie aufhalten. Meine Theorie ist...«
    »Polizisten arbeiten nicht mit Theorien, Les, sie arbeiten mit Fakten.« Sie hörte an seiner Stimme, wie erschöpft er war. »Du hältst dich heraus. Ich kann dich nicht immerzu beschützen. Es ist ein Fall fürs FBI. Laß die Finger davon...«
    »Du irrst dich, Silvestri. Ich kann mich nicht heraushalten. Ich hänge mit drin... und ich brauche deinen Schutz nicht.«
    »Les...« Sein Ton klang warnend.
    Sie legte auf. Er ließ sie ja nicht einmal zu Ende reden. Sie rutschte von der Matratze und knipste das Licht aus. Der Falter klebte an der Birne und verbrannte sich zu Tode.
    Als sie durch die Wohnung ging und überall das Licht ausmachte, begann das Telefon zu läuten. Sie hob ihre Einkaufstasche und Hazels schwere Ledertasche auf. Das Telefon läutete weiter. Sie ging hinaus auf den Flur, die Zähne zusammengebissen, zog die Tür fest hinter sich zu und verschloß sie.
    »Ich kann dich nicht immerzu beschützen«, hatte er gesagt. Es war gemein von ihm, so etwas zu sagen.
    Arleen Grossman hatte das Land noch nicht verlassen. Wetzon schloß die Augen, während sie auf den Aufzug wartete. Wo wohnte Arleen? East 72. Street. Sie erinnerte sich, daß Smith — oder vielleicht Arleen selbst — ihr erzählt hatte, daß Arleen eine Wohnung im ersten Stock des alten Wharton-Anwesens zwischen Fifth und Madison hatte.
    Wetzon war entschlossen, sie daran zu hindern, die Stadt zu verlassen und Smith die ganze Schweinerei anzuhängen. Sie wußte nicht, wie, aber es würde ihr unterwegs schon etwas einfallen. Sie mußte es tun.
    Der Aufzugführer war zum Glück still. Im dritten Stock stieg ein alter Mann mit dicker Brille und knotigen Händen zu, der einen uralten Sheltie an einer abgenutzten braunen Lederleine führte. Der alte Hund bewegte sich so langsam wie der alte Mann. Der milchige Schleier des Stars bedeckte seine Augen, und sein braun und weiß geflecktes Fell war schütter und glatt. Darunter zeichneten sich scharfe Knochen ab.
    Sie verließen den Aufzug vor ihr in arthritischem Tempo. Wetzon trat hinter ihnen ungeduldig von einem Fuß auf den andern. Die Halle war leer; sie waren alle gegangen. Sie stürzte an dem alten Mann vorbei, streifte beinahe ihn und den Hund, und dann fühlte sie sich beschämt verpflichtet, ihnen die Tür aufizuhalten.
    Die Bürgersteige waren naß.
    Wie war es möglich, daß Arleen nicht wußte, daß sie hinter ihr her waren?
    Ein junger Chinese in dünner Leinenjacke und Jeans schloß ein Fahrrad an ein Parkverbotsschild vor Hazels Haus. Er klappte einen Schirm auf und kam mit einer großen braunen Papiertüte auf sie zu. Sie bekam einen starken Duft nach gebratenem Reis in die Nase, als er an ihr vorbeiging, und ihr wurde klar, daß sie außer dem Bissen Omelett bei Smith seit dem halben Hamburger am Mittag nichts mehr zu essen bekommen hatte. Sie war jetzt hungrig, aber Essen war nicht das Wichtigste.
    Graupeln und nasser Schnee fielen ungleichmäßig vom Himmel und blitzten wie Diamanten um die Straßenlaternen.
    Sie erinnerte sich voller Schmerz an Hazels geschundenes Gesicht. Halte durch, dachte sie. Halte durch.
    An der Park
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher