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Ruhe Sanft

Ruhe Sanft

Titel: Ruhe Sanft
Autoren: Annette Meyers
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Avenue hielt ein Taxi auf ihr Winken, und sie bat den Fahrer, sie an der Ecke Madison und 72. abzusetzen. Ihr Pelzmantel war nasser, als sie es von dem kurzen Spaziergang für möglich gehalten hätte.
    Das weiße herrschaftliche Haus mit dem aufwendigen Eingang fiel sogar zwischen den anderen eleganten Stadtvillen in der Straße auf. Es hatte die gleiche Art Eisengitter als Außentür wie Diantha Andersons Sandsteinhaus, aber dieses hier war kunstvoller und mit polierten Messingkugeln durchsetzt.
    Dann trat Schweiß, kalt und eisig, auf ihrem Nacken unter dem Pullover aus, lief unter den Armen und badete sie in Feuchtigkeit. Sie stand, wo das Taxi sie abgesetzt hatte, und starrte über die Straße auf die Villa, die mit den Fenstergittern aus Eisen und Messing, hinter denen Licht brannte, wie eine Festung wirkte. Der Schnee fiel naß auf Gesicht, Mantel und Mütze und zwang sie weiterzugehen.
    Eine schwarze Limousine war direkt vor der Villa geparkt. Wetzon konnte den Umriß des über das Lenkrad gebeugten Kopfes eines Mannes auf dem Fahrersitz erkennen. Arleens Limousine? Wartend, um sie zum Flughafen zu bringen?
    Der Verkehr aus dem Central Park rechterhand war ungewöhnlich dünn. Ein Auto fuhr mit offenem Fenster auf den Park zu, und die Rockmusik aus seinem Radio durchschnitt die Stille.
    Weiter unten in der Straße rechts von der Villa hielt ein Taxi in der zweiten Reihe, sein Besetzt-Schild beleuchtet. Der Fahrer wartete auf jemanden aus dem Eckhaus.
    Wetzon ging unachtsam über die Straße und schlenderte an der Limousine vorbei. Aus dem Augenwinkel sah sie Arleens Bruder, schlafend mit dem Kopf auf dem Lenkrad. Er mußte beim Warten auf sie müde geworden sein und machte ein Nickerchen. Wetzon ging an der Limousine vorbei und weiter bis zur Ecke der Madison, drehte sich wie zufällig um und kam mit schnellerem Schritt zurück. Sie hoffte, er würde nicht aufwachen und sie sehen. Aber etwas war komisch, das sie vorher nicht bemerkt hatte. Das Wagenfenster war auf seiner Seite unten. Schnee wehte hinein, und er wurde naß. Er konnte doch nicht so fest schlafen.
    Sie ging an der Limousine vorbei und schlich geduckt um das Auto herum, wobei sie sich am Heck und an der Seite festhielt. Sie richtete sich langsam hinter dem offenen Fenster auf. Koffer stapelten sich auf dem Rücksitz. John Grossman rührte sich nicht, und er würde sich auch nicht mehr rühren. Blut sickerte aus einem kleinen Loch an seiner Schläfe. Arleen würde eine andere Möglichkeit finden müssen, um zum Flughafen zu kommen.
    Wetzon kam wieder auf den Bürgersteig, schloß die Augen und atmete tief durch. Ihre Nase sog nassen Schnee und Kälte ein. Laß dich nicht ablenken, ermahnte sie sich. Merkwürdigerweise hatte Wetzon keine Angst. Ihr Adrenalinspiegel stieg, und sie fühlte sich warm und ein wenig aufgekratzt, aber sehr ruhig.
    Die Eisentür ließ sich leicht öffnen, ebenso die Doppeltür aus geätztem Glas und Holz. Sie befand sich in einem engen Vorraum mit Marmorboden. An der rechten Wand war eine Vertiefung, geriffelt wie eine Muschel, aus dem Marmor herausgearbeitet. Es war nur eine Dekoration, aber jemand hatte vor kurzem eine Zigarette darin ausgedrückt. Nach dem Briefkasten, der an der linken Wand angebracht war, wohnte A. Grossman in 2F. Sie drückte die Klingel von R. Argentuille in 3R und wartete mit der Hand auf dem Messingknopf der großen Tür aus Bleiglas und Eisen. Und tatsächlich ließ der Dummkopf in 3R sie ein, ohne auch nur nachzuprüfen, ob sie das Recht dazu hatte.
    Sie betrat eine hinreißende Halle, deren Boden mit Sternen und Kreisen in schwarzem und cremefarbenem Marmor gemustert war. Die geschwungene Treppe links war aus Marmor, soweit sie sehen konnte. Rechterhand stand ein geschnitzter gotischer Eßtisch zwischen zwei hohen gotischen Lehnstühlen. Ein Messingtopf mit weißen und gelben Chrysanthemen schmückte den Tisch.
    Vor ihr war der Aufzug. Besser nicht. Sie würde die Treppe nehmen und nicht riskieren, ihre Anwesenheit anzukündigen. Sie hielt den nassen Mantel vorn, ihre Einkaufstasche, Hazels Handtasche und versuchte, möglichst wenig Lärm auf dem nackten Marmor zu machen. Da hörte sie das Geräusch von jemandem in dem kleinen Vorraum, das Rasseln von Schlüsseln. Sie hatte es bis zum ersten Stock geschafft, als sie die Tür unten aufgehen hörte. Davon abgesehen war das Gebäude sonderbar still.
    Die Wände im ersten Stock waren mit einem ostasiatischen Muster aus stehenden Kranichen und
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