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Ruhe Sanft

Ruhe Sanft

Titel: Ruhe Sanft
Autoren: Annette Meyers
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aufgehalten. »Sie dürfen nicht weitergehen«, sagte die Frau und versperrte ihr den Weg.
    »Bitte, Officer...« Sie spürte einen Kloß im Hals. »Bitte. Meine Freundin ist in diesem Haus.«
    Sie sah O’Melvany zuerst. Er war nicht zu übersehen — bei dieser Größe. Männer in Straßenkleidung, vermutlich Detectives, liefen überall herum. Polizisten in Uniform hielten Fußgänger auf. Ein Notarztwagen stand mit blinkendem Licht schräg vor dem Eingang des Gebäudes.
    »Bitte, bitte, lassen Sie mich durch. Ich muß durchkommen.« Sie geriet in Panik. »Sergeant O’Melvany!«
    Zwei Sanitäter in blauen Mänteln rollten jemanden auf einer Krankentrage aus dem Haus. Ein Mann in einer roten Daunenjacke war bei ihnen, beugte sich über die Person auf der Trage und redete mit ihr. Sie brauchte mehrere Sekunden, bis sie Silvestri erkannte.
    Mit den unheimlich gefärbten Lichtern, den lauten Stimmen, den kreischenden Radios der Streifenwagen schien es wie eine Szene aus der Walpurgisnacht. Silvestri war über die Gestalt auf der Trage gebeugt. Ein Schrei formte sich in ihrer kalten Magengrube, stieg auf, brach als Schmerzensschrei aus ihr heraus: »Silvestri!« Sie achtete nicht auf die Menschen um sie herum.
    Detectives, Polizisten, Zuschauer drehten sich nach ihr um. Silvestri richtete sich auf, suchte nach der Quelle, und sie sah ihn als ein weiteres bleiches Gesicht über der roten Daunenjacke. Rundäugig und bleich wie ein Kind. Er hielt jemandes Hand. Jemand auf der Trage. Sein Blick ging über die Menge.
    Dann sah sie die Infusionsflasche und einen weiteren Sanitäter. Silvestri entdeckte Wetzon, winkte und deutete, und sie geleiteten sie durch das Gedränge. Sie eilte und stolperte auf sie zu — zu Silvestri, zu der Gestalt auf der Trage, die eben in den Wagen gehoben werden sollte.
    Silvestris Arm legte sich um ihre Schulter wie ein Schraubstock, ein starker Schutz, hielt sie, aber schob sie vor. Er sagte etwas, aber ihr Herzschlag erstickte jeden Laut außer dem eigenen Pochen.
    Hazel war in graue Decken gewickelt. Die rechte Seite ihres Gesichts war geschwollen und verfärbt, ihr Kopf war mit Mullbinden bedeckt.
    Wetzon umklammerte die harte Kante der Trage. »Hazel.« Ihre Stimme kam dünn und schleppend. Hazels unverletztes Auge sah sie an. »Leslie... Liebe...« Die unverletzte Seite ihres Gesichts verzog sich zu einem grotesken Lächeln. »Ich habe es geschafft... oder?« Hazels Auge richtete sich auf Silvestri und zeigt eine Spur des alten Funkeins. »Ich habe die Beweise gegen sie geliefert, ja?«
    Wetzon zog einen Handschuh aus und berührte die faltige Wange, Linien wie Eisenbahngleise, tiefe Falten. Sie spürte Silvestris warmen Atem auf ihrem Gesicht, seinen Arm fest um sie. »Du hast sie den Lockvogel spielen lassen, Silvestri.« Sie entzog sich ihm vorwurfsvoll.
    »Sergeant, wir müssen los«, redete einer der Sanitäter dazwischen.
    »Sie hat sich selbst vorgewagt, Les.«
    »Allerdings.« Hazels Stimme war schwach, aber bestimmt.
    Sie klappten die Räder ein und hoben die Trage in den Wagen. Hazels Körper rollte dabei hilflos hin und her. »Wohin bringen Sie sie? Ich komme mit.«
    »Leslie... Liebe...«
    »Ja?« Sie beugte sich in den Wagen vor, um die versagende Stimme zu verstehen.
    »Meine Handtasche... liegt noch oben. Schließen Sie bitte für mich ab.«
    »Aber ich möchte mitkommen.«
    »Bitte... Ich fühle mich wohler, wenn ich weiß, Sie kümmern sich darum.«
    »Ich begleite sie«, sagte Silvestri. »Ich möchte sowieso eine Aussage aufnehmen.« Er ließ sie allein, um mit einem Polizisten am Eingang zum Haus zu sprechen, kam schnell zurück und setzte sich hinter dem ersten Sanitäter in den Wagen.
    »Silvestri! Laß nicht zu, daß ihr etwas geschieht.« Wetzon stand da und ließ die unausgesprochenen Worte zwischen ihnen in der Schwebe. Seine türkisen Augen versprachen ihr etwas, das er, wie sie beide wußten, vielleicht nicht würde halten können. Sie sah zu, wie der zweite Sanitäter die Türen des Wagens zuschlug und vorne einstieg. Die heulende Sirene durchbrach die schützende Mauer, die sie zwischen sich und den Leuten auf der Straße gezogen hatte, und ließ sie allein. Sie sah Gesichter, die sie über die Reihen der Polizisten anstarrten, neugierige Gesichter, hungrig nach Erklärungen.
    Der Polizist an der Tür ließ sie in die Halle durch. O’Melvany und ein anderer Detective redeten mit einer kleinen, kräftigen Frau in weißer Uniform. Rötliche Kratzer zeichneten
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