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Ruhe Sanft

Ruhe Sanft

Titel: Ruhe Sanft
Autoren: Annette Meyers
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eine Wange, und ihr platinblond gebleichtes Haar war völlig durcheinander. Die Hände der Frau waren hinter dem Rücken mit Handschellen gefesselt. Sie sah verängstigt aus.
    »Basha«, sagte Wetzon laut, als sie den Aufzugknopf drückte.
    Die Frau riß den Kopf hoch. O’Melvany, die Hände auf die schmalen Hüften gestützt, nickte Wetzon zu.
    Basha würde nach Rußland zurückgeschickt werden oder wo immer sie hergekommen war, und das war gut so, dachte Wetzon. Die Aufzugtür ging auf.
    »Oh, Ms. Wetzon«, sagte der Aufzugführer. »Schrecklich, die Sache mit Ms. Osborn. Es ist eine furchtbare Welt, in der wir heute leben. Man kann einfach keinem mehr trauen.« Er brachte sie in den vierten Stock, ohne noch etwas zu sagen.
    Hazels Tür stand weit offen, und alle Lampen in der Wohnung brannten. Ein fremder Mann im weißen Joggingdreß stand mitten in Hazels Wohnzimmer. Er hielt einen ihrer großen Staffordshire-Hunde in der Hand und betrachtete die Markierung auf der Unterseite.
    »Wer sind Sie? Was machen Sie hier?«
    Der Mann blickte ohne jede Verlegenheit auf. Er hatte einen kurz gehaltenen melierten Bart. Er stellte das Staffordshire-Stück auf einen Beistelltisch. »Ich bin nur ein besorgter Nachbar«, sagte er mit einem leichten deutschen oder österreichischen Akzent. »Ich dachte, ich sehe mal nach, ob ich etwas für die arme Frau tun kann, aber ich sehe, daß es nichts gibt, also gehe ich jetzt wieder.«
    »Und ob Sie jetzt gehen.« Wetzon folgte ihm bis zur Tür und schloß sie fest hinter ihm.
    »Ist denn nichts heilig?« Sie ging in das Wohnzimmer zurück und stellte den Schaukelstuhl auf, der umgekippt war. Bücher waren aus dem Bücherschrank gerissen, lagen auf dem Boden, aufgeschlagen, kreuz und quer. Jemand hatte etwas gesucht. Das Schlafzimmer war ein einziges Durcheinander, Schubladen geleert, Bettlaken auf dem Boden, die Matratzen umgedreht. Eine Parfumflasche war zerbrochen, und L’Air du Temps, obwohl nur ein leichter Duft, hing unangenehm in der Luft. Die Nachttischlampe lag auf dem Boden, noch brennend, der Lampenschirm zerdrückt. Sie stellte die Lampe wieder auf den Nachttisch und ließ den Schirm auf dem Boden liegen.
    Heiße Tränen liefen über ihr Gesicht. Wenn Hazel gestorben wäre? Verdammte Arleen! Hol sie der Teufel. Und sie würde ungeschoren davonkommen, weil sie sicher inzwischen außer Landes war.
    Hazels große schwarze lederne Handtasche lag auf dem Boden, ihr Inhalt ausgeleert. Daneben lag aufgeschlagen Saul Bellows Mehr noch sterben an gebrochenem Herzen. Der Telefonhörer lag nicht auf, sondern baumelte frei neben dem Nachttisch herunter. Wetzon legte den Hörer auf die Gabel und sammelte kniend den Inhalt von Hazels Handtasche ein. Die Hausschlüssel in dem kleinen Ledertäschchen nahm sie an sich.
    Auf dem Fußboden, beinahe unter dem Nachttisch versteckt, lag ein kleiner Notizblock. Sie hob ihn auf, um ihn wieder auf den Tisch neben das Telefon zu legen. Auf dem Block standen einige Zahlen. Sie stand auf und steckte das Bellow-Buch in Hazels Handtasche. Hazel könnte es lesen, wenn sie auf dem Weg der Besserung war.
    Wetzon hatte genug. Sie würde später zurückkommen und die Wohnung aufräumen. Sie knipste die Lampen an der Tür aus und ging durch den kleinen Flur auf die Wohnungstür zu, blieb stehen, kehrte um und schaltete das Licht im Schlafzimmer wieder an. Sie ging zum Nachttisch und nahm den Block in die Hand. Es war eindeutig eine Telefonnummer, aber es war nicht Hazels Handschrift.
    Verwirrt setzte sie sich auf die schräg liegende Matratze, nahm den Hörer ab und tippte die Nummer ein.
    Ein Klingelzeichen... zwei... drei... vier...
    »Hallo? Hallo?«
    Wetzon legte den Hörer leise auf.
    Die Stimme gehörte Arleen Grossman.

»Silvestri.« Seine Stimme, knapp, sachlich, routiniert, schreckte sie aus dem Gedankenlabyrinth auf, in dem sie sich verfangen hatte.
    »Silvestri... hör zu... ich meine, wie geht es Hazel?«
    »Der Arzt ist bei ihr. Wo bist du?« Er klang ungeduldig, als habe er einen anderen Anruf erwartet.
    »Bei Hazel... das ist wichtig, Silvestri...« Wetzon rang nach Atem. »Diese Frau, Arleen Grossman...«
    »Beruhige dich, Les...«
    »Bitte, Silvestri, die Zeit läuft davon. Sie wird sich absetzen.«
    »Wovon zum Teufel redest du überhaupt?« Jetzt schien er verärgert.
    »Diese Frau, Arleen Grossman, vermutlich weißt du über sie Bescheid. Sie leitet Tender Care...«
    »Ach, wirklich?« Sie konnte beinahe hören, wie das eiserne Tor
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