Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ruf Des Dschungels

Ruf Des Dschungels

Titel: Ruf Des Dschungels
Autoren: Sabine Kuegler
Vom Netzwerk:
Deutschland«, murmelte ich nur, da rief er auch schon nach einem Einheimischen, der ein orangefarbenes T-Shirt trug. Papa gab ihm den Zettel, und der junge Mann drängelte sich durch die dichte Menschenmenge bis vor zum Gepäckschalter. Nach einer Weile kam er mit meinem Alukoffer zurück, und wir gingen zum Ausgang, inmitten einer Traube von Menschen, die mit Unmengen an Gepäck in die gleiche Richtung drängte. Neben der Tür stand ein Flughafenangestellter in Uniform und verglich mit größter Sorgfalt jeden Zettel mit der jeweiligen Nummer auf den Gepäckstücken.
    Das kann dauern,
dachte ich und beobachtete, wie ihm die Menschen ihre Koffer genau vor die Nase stellten. Endlich waren wir dran, mein Ticket wurde kontrolliert, und wir konnten ins Freie treten.
    Ein Einheimischer kam uns entgegen, auf dem Gesicht ein breites Lächeln. Er nahm meine Hand und schüttelte sie kräftig. Papa stellte ihn mir vor. Er hieß Jacop und war einer der Fahrer von YPPM (Yayasan Persekutuan Peninjilan Mairey), der Entwicklungshilfe-Organisation, für die meine Eltern arbeiten. Noch immer lächelnd, griff er sich meinen Koffer und ging zum Parkplatz voran. Als ich mich umdrehte, stand ich direkt vor einem Papua mittleren Alters.
    »Weißt du, wer das ist – kannst du dich an ihn erinnern?«, fragte Papa.
    Ich sah genauer hin, dann schlang ich mit einem lauten Jubelschrei die Arme um Aron [1] , den Dani-Jungen, den wir vor Jahren in unsere Familie »adoptiert« hatten. Aron vollführte einen echten Freudentanz mit mir und strahlte dabei übers ganze Gesicht, Tränen der Rührung in den Augen. Ein Gefühl der Liebe durchströmte mich. Wie viele Jahre war es nun schon her? Was war nicht alles passiert, seit wir uns das letzte Mal gesehen hatten! Auf einmal spürte ich es wieder, das Band zwischen uns, das in all den Jahren nicht zerrissen war.
    Nachdem sich die erste Wiedersehensfreude gelegt hatte, setzten wir unseren Weg zum Wagen fort. Jacop verstaute mein Gepäck, und Aron und ich quetschten uns zusammen auf die Rückbank. Ich konnte den Blick einfach nicht von ihm abwenden. Wie sehr hatte ich ihn vermisst! Er hatte mich und meine Geschwister immer wie ein großer Bruder beschützt, war mit uns schwimmen gegangen und hatte uns getröstet, wenn wir traurig waren. Wie ich so neben ihm saß, fühlte ich sie wieder, diese Vertrautheit und Geborgenheit meiner Kindertage.
     
    Die Fahrt vom Flughafen nach Waena, wo unser Haus stand – eine kleine Stadt auf halbem Wege nach Jayapura –, dauerte eine knappe halbe Stunde. Als wir die Hauptstraße erreichten, brauste eine schier endlose Kolonne von Pkws, Minivans und Mofas auf beiden Fahrspuren an uns vorbei, die meisten von ihnen mit einer Geschwindigkeit, die man den ebenso rostigen wie betagten Fahrzeugen gar nicht zugetraut hätte.
    Wie um Himmels willen sollen wir da jemals einfädeln?,
fragte ich mich.
    Doch schon trat Jacop das Gaspedal durch, und der Wagen quetschte sich zielsicher zwischen einen herannahenden Minivan und ein Motorrad. Während des ganzen Manövers hörte Aron nicht auf zu lächeln, und auch Papa führte seinen gerade begonnenen Satz zu Ende, als wäre nichts gewesen. Nur ich klammerte mich ängstlich an meinem Sitz fest, denn natürlich hatte keiner von uns Sicherheitsgurte angelegt. Niemand außer mir schien das Hupkonzert, das in unserem Rücken lostönte, zu bemerken.
    Na wunderbar!,
dachte ich, als wir davonflitzten – und staunte über mich selbst, die ich lange Zeit sogar Angst gehabt hatte, in einer Großstadt wie Hamburg eine gesicherte Ampelkreuzung zu überqueren!
    Während der Fahrt nach Waena starrte ich nach draußen, starrte durch die Windschutzscheibe, die Seitenfenster, die Heckscheibe, um ja keine Einzelheit zu verpassen. Als Papa das bemerkte, sagte er: »Keine Sorge, Sabine. Wir haben noch jede Menge Zeit, die schöne Landschaft zu genießen.« Und wie auf Kommando flogen wir alle in die Luft, als wir mitten durch ein riesiges Schlagloch fuhren.
    »Na, die Straßenverhältnisse haben sich jedenfalls nicht geändert«, sagte ich amüsiert und drehte mich zu Aron um, der noch immer vor sich hin lächelte. »Aron«, fragte ich ihn in meinem gebrochenen Indonesisch, »wie viele Kinder hast du mittlerweile?«
    Voller Stolz erzählte er mir, dass es inzwischen acht waren.
    »Wow!«, rief ich aus. »Und ich dachte immer, ich sei kinderreich mit meinen vieren.«
    Endlich bogen wir in unsere Straße ein und schnitten dabei mehrere
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher