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Ruf Des Dschungels

Ruf Des Dschungels

Titel: Ruf Des Dschungels
Autoren: Sabine Kuegler
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entgegenkommende Fahrzeuge, die uns ein weiteres Mal mit einem Hupkonzert bedachten. Jacop bremste ab, und wir fädelten in eine winzige Gasse ein, gerade mal so breit wie der Wagen.
    Ich musste lächeln, als ich die Gruppe von Einheimischen entdeckte, die uns erwarteten, in traditionelle Gewänder gehüllt. Ja, ich wusste genau, was nun passieren würde: Das war das Begrüßungskomitee vom YPPM . Noch bevor ich einen Fuß auf den Boden gesetzt hatte, setzten die Trommeln ein, und die Männer und Frauen fingen an zu singen. Ich sah Pfeil und Bogen, phantasievoll verzierte Federn, bemalte Gesichter – und mit einer temperamentvollen papuanischen Tanzeinlage begleitete man mich die Einfahrt hinauf.
    Da entdeckte ich eine Gruppe Kinder, die Willkommensbänder in die Luft hielten. Was für ein rührender Anblick – ich musste sofort an meine Kinder denken, die viele tausend Kilometer von mir entfernt waren.
    Nach mehreren Begrüßungsreden und einigen weiteren Liedern lernte ich endlich die Familie von Aron kennen. So viele Kinder! Und alle so unglaublich schön! Mit strahlendem Lächeln umarmten sie mich aufs Herzlichste, als wäre ich von jeher Teil ihrer Familie gewesen, als wäre ich niemals weggegangen.
    Ich fühlte mich total entspannt, überglücklich und zufrieden.
    Schließlich ebbte der Rummel ab, und alle gingen wieder ihren alltäglichen Arbeiten nach. Es war inzwischen Mittag, die Sonne brannte auf uns herab, es wurde Zeit für eine Siesta. Doch an Schlaf war nicht zu denken, dafür war ich noch immer viel zu aufgeregt. Während Jacop mein Gepäck hineinbrachte, wollte Papa mir das kleine aus Beton gebaute Haus zeigen.
    Meine Eltern sind umgezogen, nachdem ich damals mit siebzehn in die Schweiz ins Internat gegangen bin. Daher betrat ich nun zum ersten Mal unser neues Zuhause in Waena. Ich konnte mir das Lachen kaum verkneifen, als Papa mich mit stolzgeschwellter Brust herumführte.
    »Was gibt’s denn da zu grinsen, Sabine?«, fragte er schließlich leicht irritiert.
    »Papa«, antwortete ich amüsiert, »es ist so offensichtlich, dass Mama nicht da ist.«
    Mama war in Deutschland bei meiner Großmutter geblieben, der es gesundheitlich nicht gut ging.
    »Was soll das denn heißen?«, rief er.
    »Nichts«, antwortete ich und musste nun endgültig losprusten.
    »Jetzt sag schon«, beharrte er.
    »Na ja«, begann ich vorsichtig, auf der Suche nach den richtigen Worten. »Bitte nimm das jetzt nicht persönlich, aber dein Hang zu modernen Haushaltsgeräten ist nicht gerade sonderlich stark ausgeprägt. Sieh dir doch nur mal diesen Wasserfilter an, der ist ja mindestens sechsundzwanzig Jahre alt. Den hatten wir doch schon damals in Danau Bira, soweit ich mich erinnern kann.«
    »Ja, ich weiß, und immer wenn deine Mutter hier ist, wirft sie ihn weg. Doch ich hole ihn jedes Mal wieder zurück. Also wirklich, wieso soll ich etwas austauschen, was noch tadellos funktioniert?«, verteidigte er sich.
    »Papa, du glaubst nur, dass die Dinge noch heil sind, weil du sie jedes Mal mit Klebeband zusammenflickst, genau wie diesen Wasserfilter hier«, erklärte ich ihm.
    Wir fingen beide an zu lachen; es war wunderbar, wieder bei Papa zu sein. Ich bin selten jemandem begegnet, der so wenig Wert auf Besitz legt wie er. Ich weiß noch, wie Mama einmal furchtbar wütend ins Haus kam, als die beiden in Deutschland zu Besuch waren. Ich fragte sie, welche Laus ihr über die Leber gelaufen sei.
    »Ach, dein Vater! Das ist mal wieder so typisch für ihn!«, wetterte sie los. »Da kaufe ich ihm einen neuen Pulli, den einzigen schönen, den er je in seinem Leben besessen hat. Und was macht er? Zieht das gute Stück doch gleich zur Gartenarbeit an!«
    Das sind meine Eltern, wie ich sie kenne und liebe.
    Beim Anblick all der vertrauten Gegenstände, die ich bei unserem Rundgang durchs Haus wieder entdeckte, lief mir ein wohliger Schauer über den Rücken. Sogar meinen alten Schreibtisch, an dem ich als Teenager stundenlang über den Hausaufgaben gebrütet hatte, gab es noch. Jeder einzelne Gegenstand löste eine ganze Welle von Erinnerungen aus. So schwelgte ich für den Rest des Tages in meiner Kindheit, bis mich die Müdigkeit übermannte. Es war eine lange, anstrengende Reise gewesen. Als ich völlig erschöpft ins Bett fiel, war mein Körper erfüllt von Wärme und mein Geist von glücklichen Gedanken. So zufrieden hatte ich mich schon seit Jahren nicht mehr gefühlt, und ich sank in einen tiefen, traumlosen Schlaf, kaum dass
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