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Ruf Des Dschungels

Ruf Des Dschungels

Titel: Ruf Des Dschungels
Autoren: Sabine Kuegler
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bereits in der Kindheit ins Gehirn gebrannt hat. Ich musste an die Unterlagen denken, die ich ins Land geschmuggelt hatte, versteckt zwischen den Plastiklaschen in meinem Rucksack. Informationen über das Unausgesprochene, das Verbotene. Ich wandte mich ab und versuchte, all dies aus meinem Kopf zu verbannen.
Das hier ist nicht mein Krieg,
sagte ich mir wieder und wieder auf dem Weg zum Wagen. Die Sonne strahlte auf mich herab, die Luft war erfüllt von vertrauten Gerüchen.
    Auf dem Rückweg nach Waena hatte ich keinen Blick mehr für die Schönheit der vorbeiziehenden Landschaft, so sehr beschäftigten mich meine Gedanken. Die Sätze, die ich vor wenigen Monaten gelesen hatte, wirbelten schrill durch mein Hirn – Warnungen, Hilfeschreie: »Gib uns eine Stimme. Lass die Welt wissen, was du gehört hast, was du gesehen hast, was du weißt.«
    Ich schüttelte den Kopf, wollte die Stimmen abschütteln.
Das ist doch verrückt,
dachte ich.
Wer bin ich denn? Wieso sollte ausgerechnet ich etwas verändern können?
Ich bin niemand Besonderes, nichts als ein kleiner Funken, der für eine Sekunde aufleuchtet, um anschließend in der Endlosigkeit des Universums zu erlöschen. Was sollte ich schon groß bewirken?
    Zurück in Waena, fühlte ich mich wie erschlagen, als hätte die feuchte Luft jede Energie aus meinem Körper gesogen. Ich legte mich aufs Bett, zog mir ein Kissen heran und ließ mich von einem Buch in die Welt der Phantasie entführen.
    Am Abend berichtete Papa mir erfreut, dass meine Papiere bereits eingetroffen seien und wir die Maschine nach Quisa buchen könnten. Bald würde es also so weit sein, und ich würde wieder in ein Leben eintauchen, von dem ich seit Jahren träumte, zurück zu den Menschen, mit denen ich meine Kindheit verbracht hatte. Wie würden sie wohl reagieren, wenn sie mich wiedersahen? Würden sie sich genauso freuen wie ich? Erfüllt von diesen Fragen fiel ich in einen tiefen Schlaf.
    Ich hatte einen Traum in dieser Nacht. Ich stand auf einem Hügel in Foida. Die Sonne schien, am strahlend blauen Himmel tummelten sich ein paar vereinzelte weiße Quellwolken. Eine angenehm kühle Brise wehte über mich hinweg, ich atmete die Süße des Dschungels tief ein. Mein Blick schweifte über den Horizont, als mich plötzlich ein heftiger Schreck durchzuckte. In der Ferne hatte sich ein schwarzes Wolkenband gebildet, das rasch größer wurde und bedrohlich auf mich zukam. Meine Unbeschwertheit begann zu schwinden, und eine diffuse Angst kroch in mir hoch. Gebannt beobachtete ich, wie dunkle Gewitterwolken über die mächtigen Bäume hinwegzogen; immer näher und näher kamen sie auf mich zu.
    Schweißgebadet schreckte ich aus dem Schlaf hoch. Ich zog die dünne Decke von meinem feuchten Körper und starrte in die Dunkelheit. Mein Kopf war völlig leer, die Gedanken wie ausradiert. Plötzlich hörte ich ein Geräusch von draußen, und ich erstarrte.
    Mein Zimmer lag auf der Rückseite des Gebäudes, von wo aus eine Tür in den Garten führte. Wer um Himmels willen geisterte mitten in der Nacht da draußen herum? Ich hatte doch das Tor abgeschlossen, bevor es dunkel wurde? Wie war es möglich, dass jemand in den Garten hineingekommen war? Ich verfluchte mich selbst dafür, dass ich so fahrlässig gewesen war und die geschmuggelten Dokumente nicht vernichtet hatte, und so beschloss ich, sie morgen in aller Frühe zu verbrennen. Nach einer halben Ewigkeit war es draußen endlich ruhig, und ich schlief wieder ein.
    Am nächsten Morgen wachte ich auf, als jemand an meine Tür klopfte. Es war Papa, der mir eine Tasse Kaffee ans Bett brachte. Wie herrlich das duftete! Er setzte sich auf die Bettkante, und während ich an dem heißen Kaffee nippte, besprachen wir, was heute alles zu tun war. Es gab ja noch so viel zu erledigen vor unserer Abreise. Sobald Papa mein Zimmer wieder verlassen hatte, sprang ich aus dem Bett, zog mir rasch etwas über und griff nach meinem Rucksack. Ich holte die heiklen Unterlagen heraus, nahm eine Schachtel Streichhölzer und verließ das Haus durch die Hintertür.
    Ich ging bis in die hinterste Ecke des Gartens, wo wir den Müll verbrannten, und vergewisserte mich mehrmals, dass mich niemand beobachtete. Es war noch sehr früh, und offenbar schliefen die anderen alle noch. Ich kniete mich hin, legte den Papierstapel auf den schmutzigen Boden und entzündete ein Streichholz. Eine schmale Flamme leuchtete auf, und vorsichtig, damit sie ja nicht wieder ausging, führte ich das
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