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Ruf Des Dschungels

Ruf Des Dschungels

Titel: Ruf Des Dschungels
Autoren: Sabine Kuegler
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mein Kopf das Kissen berührte.
     
    In der zweiten Nacht nach meiner Ankunft passierte es dann. Am Abend hatte ich mir in einem indonesischen Restaurant ganz in der Nähe ein Reisgericht geholt. Ich liebe das indonesische Essen und hatte die Warnungen in den Wind geschlagen, dass sich mein Körper noch nicht ausreichend an die hiesige Bakterienflora gewöhnt haben könnte.
    Mitten in der Nacht erwachte ich mit schrecklicher Übelkeit. Die nächsten Stunden verbrachte ich im Badezimmer, mein Magen revoltierte.
Eine Lebensmittelvergiftung,
dachte ich entsetzt. Nun plagte mich also nicht nur der Schlafentzug wegen meines andauernden Jetlags, sondern ich war auch noch ernsthaft krank.
    Als Papa mich am nächsten Morgen wecken wollte, traf er mich jammernd im Bett an. Natürlich konnte er es sich nicht verkneifen, mich daran zu erinnern, dass man mich gewarnt hatte, bevor er mir ein Glas Wasser holte. Ich sah aus dem Fenster, die Sonne war schon aufgegangen, die Vögel zwitscherten, und das Geschrei von Arons Kindern, die draußen spielten, drang durch die Jalousien zu mir herein.
    Dass ich nun dank meiner Magenverstimmung das Bett hüten musste, machte alle meine Pläne zunichte, und ich war schwer enttäuscht. Schließlich hatte ich heute mit Jacop und seiner Familie an den Strand gehen wollen und würde nun einen wunderbaren Tag verpassen. Doch es half nichts: Mein Kopf schmerzte, mein Körper war geschwächt, und ich fühlte mich elend. Erschöpft schloss ich die Augen und ließ meine Gedanken wandern.
    Heute sollten meine Papiere zur Polizeistation gebracht werden, damit ich ein
surat jalan
bekam, ein Visum, das mir Zutritt zum Gebiet der Fayu verschaffte. In West-Papua ist Fremden der Zutritt zu bestimmten Regionen, darunter auch das Tal, in dem die Fayu leben, ohne die entsprechende polizeiliche Genehmigung nicht erlaubt. Papa meinte, es könne durchaus ein paar Tage dauern, bis meine Einreise bewilligt wäre und wir ein Flugzeug mieten könnten, um nach Quisa zu gelangen. Quisa, das im Gebiet des Fayu-Stammes der Tigre [2] liegt, hatte seit einiger Zeit eine neue Landebahn. Früher gab es einmal eine Landebahn in der Nähe von Foida, dem Ort, an dem meine Geschwister und ich aufgewachsen sind. Doch weil es immer wieder zu Überflutungen und Erdbeben gekommen war, war dieser Landeplatz inzwischen nicht mehr in Betrieb.
    »Und wann werden wir deiner Meinung nach endlich im Dschungel sein?«, fragte ich Papa frustriert. Ich konnte schließlich nicht ewig hier in West-Papua bleiben und wollte so viel Zeit wie nur möglich mit den Fayu verbringen.
    »Das kann noch eine Woche dauern.«
    Papas Gelassenheit brachte mich in Rage, doch als er meine wütende Miene bemerkte, sagte er nur: »Sabine, wir sind hier in Papua und nicht in Deutschland.«
    Er hat ja Recht,
gestand ich mir mit einem leisen Seufzen ein. Offenbar hatte ich schon zu lange im Westen gelebt, und der schnelle Lebensrhythmus dort hatte mein Denken mehr beeinflusst, als mir bewusst war. Ich war noch voll und ganz auf Eile programmiert und hatte völlig vergessen, was es heißt, geduldig zu sein. Ich musste also schnell einen Weg finden, mein Denken und Handeln zu verlangsamen.
    Wie ungewohnt es war, hier im Bett zu liegen und einfach gar nichts zu tun – keine Verabredungen, keine Termine, kein enger Zeitplan. Eigentlich fühlte es sich wunderbar an, so völlig ohne jeden Druck, doch mein Körper und Geist hatten sich noch nicht daran gewöhnt und lehnten sich gegen die Ruhe auf. Immer wieder wälzte ich mich von einer Seite auf die andere, ohne eine bequeme Position zu finden. Am Nachmittag schlief ich endlich ein, während eine laue Brise durchs offene Fenster hereinwehte.
    Zwei Tage später war ich wieder auf den Beinen. Wir wollten heute nach Jayapura fahren, um unsere Reise zu den Fayu vorzubereiten. In den frühen Morgenstunden machten wir uns auf den Weg, um die Mittagshitze zu meiden, und stürzten uns einmal mehr in den chaotischen Verkehr. Geschmeidig reihte sich unser Van ein in die Schlange aus rostigen Lastwagen, vorbeiflitzenden Motorrädern und alten Autos, die mit ihren Abgasen die Luft verpesteten. Ich saß mit Aron auf der Rückbank, während Papa vorne auf dem Beifahrersitz neben Jacop Platz genommen hatte.
    Vor Schreck hielt ich die Luft an, als Jacop einen dahinkriechenden Lastwagen überholen wollte, der mit riesigen Metallkisten beladen war und an dessen Seiten sich mehrere junge Männer festhielten. Der entgegenkommende Verkehr
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