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Ruf der verlorenen Seelen

Ruf der verlorenen Seelen

Titel: Ruf der verlorenen Seelen
Autoren: Derting Kimberly
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stellte sich vor
Chelsea, sie konzentrierte sich wieder auf den Klang der Harfe.
Sie hörte Chelsea hinter sich schwer atmen. Es hörte sich so an,
als hätte sie Angst. Doch Violet kümmerte sich nicht darum.
    Sie war verwirrt. Die Stelle war richtig. Das Geräusch war
jetzt praktisch ebenso in ihr wie das nachhallende Echo, die
sanften Klänge der Saiten schienen von ihrer Brust in ihren
Kopf zu strömen … in ihre Finger und Zehen.
    Aber hier war nichts.
    Nur Container auf einer großen Asphaltfläche. Massiv und
dicht.
    Sie schaute an dem roten Frachtcontainer vor ihr empor.
Das Trapezstahlblech war absolut dicht.
    Sie ging um den Container herum und fuhr mit den Fingerspitzen
über das Blech, untersuchte die makellosen Kanten.
Sie spürte den Klang bis unter die Haarwurzeln. Ihre Haut
kribbelte. Schließlich fand sie die Tür des Containers, aber natürlich
war sie verschlossen. Ein schweres rostiges Vorhängeschloss
hing an einem massiven Eisenriegel.
    Es ist da drin , dachte Violet. Das Wesen, das sie rief, befand
sich in dem Container.
    Â»Was machen wir hier?«, fragte Chelsea und Violet hörte
leichte Panik in ihrer Stimme.
    Violet schaute auf und vergaß für einen Augenblick, was
sich in dem Grab aus Stahl befand.
    Was konnte Violet ihr sagen? Sie wollte Chelsea nichts davon
erzählen, dass sie Tote aufspüren konnte. Außerhalb ihrer Familie
war Jay der Einzige, der davon wusste. Und so sollte es
auch bleiben.
    Selbst wenn Violet die richtigen Worte fände, Chelsea würde
es doch nicht verstehen. Wie auch? Sie würde Violet für völlig
durchgeknallt halten.
    Violet schaute ein letztes Mal zu dem Container und fühlte
sich machtlos gegenüber dem massiven, undurchdringlichen Metall. Sie schaute sich um und versuchte, das Dröhnen in
ihrem Kopf zu ignorieren, die Klänge aus dem Stahlkasten, die
nur sie hören konnte.
    Â»Ich dachte, ich hätte was gehört«, sagte Violet wieder.
    Â»Wir verpassen noch unsere Fähre«, sagte Chelsea.
    Schließlich gab Violet auf. Was blieb ihr anderes übrig? Das
hier war etwas anderes, als ein totes Tier in der weichen Erde
des Waldes zu Hause zu finden. Dieses Wesen hier war weggesperrt,
unerreichbar. Und sie wusste nicht einmal, was es war.
    Das Salz lag schwer in der Luft, es hing an den Schallwellen
und dem unheimlichen Widerhall der Harfe, der hinter ihnen
her schwebte.

    Trotz allem machte Violet die Überfahrt sogar richtig Spaß.
    Sie blieben nur eine Stunde auf der Insel. Vom Kai aus gingen
sie zu einem Eisstand, wo es richtige Eiscreme wie früher gab,
in warmen, hausgemachten Waffeln. Sie bestellten die allergrößte
Portion und vertilgten alles bis auf den letzten Krümel.
    Chelsea erzählte schon wieder von Mike, dem Neuen, und
Violet hörte die meiste Zeit zu. Es sah Chelsea gar nicht ähnlich,
so auf einen Jungen fixiert zu sein, und Violet fand es
ziemlich witzig, dass sie fortwährend über ihn redete. Nicht,
dass es da viel zu reden gegeben hätte. Nach wie vor wussten
sie so gut wie nichts über ihn, außer dass sein Nachname
Russo war und seine Schwester Megan hieß. Seit drei Tagen
waren die beiden jetzt an der Schule und bisher waren sie eher
für sich geblieben.
    Außer mit Jay hatte Violet Mike kaum mit jemandem sprechen
sehen. Also konnte Chelsea nur das Wenige wiederholen,
was sie über ihn wusste, und über alles andere rätseln.
    Als sie mit der Fähre zurückfuhren, wehrte Violet sich gegen
das hartnäckige Echo von der Werft. Und obwohl es sie nicht
mehr körperlich anzog und sie die Harfenklänge auf dem offenen
Meer nicht hören konnte, hatte sie keine Ruhe.
    Schon befiel sie das altbekannte Gefühl, die Beklommenheit,
die sie immer spürte, wenn ein totes Wesen unbedingt zur
Ruhe gebettet werden wollte.
    Nicht immer wollten die Toten vergessen werden. Und das
Bedürfnis, ihnen Ruhe zu geben, konnte so stark werden, dass
Violets ganzes Denken darum kreiste und sie alles tat, um die
Überreste aufzuspüren und sie anständig zu begraben, damit
die Geschichte für das Opfer und auch für sie selbst zu einem
Ende kam.
    Die Geschichte zum Abschluss bringen, so beschrieb es ihre
Mutter immer.
    Das war ein passender Ausdruck für die Erleichterung, die
sie empfand, wenn eine Leiche endlich begraben war. Dann
kam Ruhe über sie. Oder, besser noch, Frieden.
    Sie gab sich alle Mühe, das
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