Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ruf der verlorenen Seelen

Ruf der verlorenen Seelen

Titel: Ruf der verlorenen Seelen
Autoren: Derting Kimberly
Vom Netzwerk:
gespenstischen Echo. Als sie vor dem Container
stand, der genauso aussah wie am Tag zuvor, wurde sie von
der gleichen Panik gepackt wie in ihrem Traum. Als wäre sie in
einem fest verschlossenen Stahlkasten eingesperrt.
    Sie zitterte am ganzen Leib, es war ein Gefühl, als würde
elektrischer Strom durch ihren Körper fließen. Sie wollte näher
herangehen, aber ihre Füße waren so schwer, dass sie kaum dagegen
ankam.
    Ihr schien das musikalische Echo, das gestern noch schaurig-
schön geklungen hatte, auf einmal bedrohlich. Es attackierte
ihre Sinne wie eine durchgedrehte Kettensäge.
    Ganz vorsichtig streckte sie eine Hand aus, um die Stahlwände
zu berühren, sie hatte Angst, sich daran zu verletzen.
Aber noch gestern hatte sie das kalte Metall angefasst und es war nichts passiert. Der Albtraum hatte ihr verraten, wie es sich
dort drinnen anfühlte, und die Erinnerung daran hallte nach,
als sie die Außenwände berührte.
    Die Schwingungen waren disharmonisch, das Echo der
Harfe schrill und intensiv.
    Der Mensch war da drin. Und obwohl es zu spät war, ihn zu
retten, wollte er gefunden werden.
    Violet zitterte vor Kälte und versuchte, sich mit ihrem Mantel
zu wärmen. Aber nichts konnte sie jetzt aufwärmen, die
Kälte ging ihr durch Mark und Bein.
    Sie fragte sich, weshalb sie von diesem Menschen geträumt
hatte. So weit war ihre Gabe bisher noch nie gegangen. Was
hatte dieser Tote in dem Container an sich, dass er sich in ihre
Träume drängte?
    Violet wusste nicht, was sie machen sollte. Wen konnte sie
anrufen? Wem davon erzählen?
    Jedenfalls nicht ihrem Onkel Stephen. Zwar fiel Seattle nicht
in seinen Zuständigkeitsbereich, aber als ihr Onkel würde er
sich verpflichtet fühlen, ihren Eltern zu erzählen, dass sie mitten
in der Nacht allein hierhergefahren war, um einen Toten zu
suchen. Und ihre Eltern würden sie zu lebenslangem Hausarrest
verdonnern.
    Auch Jay konnte sie nicht davon erzählen, aus ganz ähnlichen
Gründen.
    Aber sie musste etwas tun. Wenn sie demjenigen, der in dem
Container eingesperrt war, nicht half, würde sie nie wieder
ruhig schlafen können.
    Sie tastete nach dem Handy in ihrer Tasche.
    Sie könnte die Polizei vor Ort anrufen … anonym. Ihren
Namen bräuchte sie ja nicht zu nennen. Sie könnte sich eine Ausrede einfallen lassen, damit sie herkamen und nach der Leiche
suchten.
    Doch das Handy schied aus, es wäre ein Leichtes, den Anruf
zurückzuverfolgen und sie ausfindig zu machen. Und dann
würde die Polizei natürlich wissen wollen, woher Violet von
der Leiche wusste. Diese Frage wollte sie auf gar keinen Fall
beantworten.
    Also musste sie hier weg und eine Telefonzelle suchen.
    Schnell ging sie zurück zum Eingangstor der Werft. Sie
schlüpfte hindurch und rannte auf den Gehweg, suchte die
Straße hektisch nach einer Telefonzelle ab.
    Es dauerte nicht lange, bis sie eine gefunden hatte, es gab
sogar zwei. Die eine war am Rand des Parkplatzes der Werft.
    Sie lief hin und nahm den Hörer ab. Er war kalt und schmutzig,
aber das nahm sie kaum wahr. Sie suchte nach Anweisungen
für den Notruf. Sie hatte kein Kleingeld und hoffte, dass
es klappte.
    Schnell und mit zitternden Fingern wählte sie.
    Sie hörte ein leises Klicken.
    Am anderen Ende meldete sich eine kühle Frauenstimme.
    Â»911, was ist passiert?«
    Violet schwieg. Ich mache einen Fehler , dachte sie, am besten
lege ich wieder auf . Sie ließ den Daumen über der Gabel schweben.
    Â»Hier spricht 911, bitte sagen Sie mir, was passiert ist.«
    Violet zögerte, sie musste etwas tun.
    Â»Hallo?«, sagte sie ausdruckslos, tausend Gedanken schwirrten
ihr durch den Kopf, verzweifelt suchte sie nach einer plausiblen
Erklärung.
    Â»Bitte sagen Sie, was passiert ist.«
    Â»Also … ich glaube, ich hab etwas gehört … jemanden gehört
…«, sagte Violet unsicher. Ihre Hände zitterten wie ihre
Stimme. »Es kam aus einem der Container am Hafen.«
    Â»Können Sie mir die Adresse geben?«
    Violet schüttelte den Kopf, auch wenn die Frau am Telefon
das nicht sehen konnte. »Es ist in der Nähe der Anlegeplätze
der Fähren. Am Pier 52. Da ist ein Schild mit der Aufschrift Puget Sound Werft .«
    Sie war nervös. Ängstlich schaute sie sich um und fragte sich
auf einmal, was für ein Mensch einen anderen in einen Container
steckt. Angenommen, derjenige war noch hier?
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher