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Rücksichtslos

Rücksichtslos

Titel: Rücksichtslos
Autoren: Kirsten Slottke
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Verwesungsstadien gesehen. Manchmal musste sie auch vor Ort die erste Leichen beurteilung über nehmen, wenn gerade kein Rechtsmediziner zur Verfügung stand. Die Toten am Leichenfundort zu sehen, an schließend deren Identität herauszufinden und gegebenenfalls den Mörder dingfest zu machen, das war ihr Beruf, den sie liebte. Sie hatte es nie bereut, der Mordkommission beigetreten zu sein. Aber an den Leichen zu arbeiten, sie aufzuschneiden und zu untersuchen würde sie nie fertigbringen, und musste das zum Glück auch nicht.
    Thomas und Katharina betraten den hellgrau und weiß gekachelten Sektionsraum des rechtsmedizinischen Instituts. Es roch nach Desinfektionsmittel und einer Mischung aus Substanzen, die sich Katharina lieber nicht vorstellen wollte. Pohl trug einen langen weißen Kittel und nähte gerade die Bauchdecke der toten Frau mit einer großen Nadel und grobem Zwirn zu. Er blickte kurz auf, als sie eintraten, nickte kaum merklich und widmete sich wieder seiner Arbeit. Sein Assistent bereitete die entnommenen Gewebeproben zur weiteren Untersuchung vor. Katharina und Thomas warteten, bis Pohl fertig war. Der richtete sich auf, strich über die Y-förmige Naht, begutachtete zufrieden seine Nähkunst und legte schließlich die Nadel in eine Edelstahlschüssel. Nachdem er seinen Kittel und die Handschuhe ausgezogen und seine Hände gewaschen hatte kam er auf die beiden zu.
    „ Es gibt einige interessante Punkte. Doch bislang weiß ich absolut nicht, woran die Frau gestorben ist“, kam er sofort auf das Wesentliche zu sprechen. „Um das hoffentlich festzu stellen, werden wir einige toxikologische Untersuchungen vor nehmen.“
    „ Herr Pohl, das mag ich an Ihnen“, begann Katharina mit einem leichten Grinsen. Sie war froh, dass die Leiche schon wieder verschlossen war. „Wie immer teilen Sie uns das Wichtigste sofort kurz und bündig mit.“
    „ Das ist meine Art“, erwiderte er augenzwinkernd.
    „ Was war das Interessante?“, fragte Thomas.
    „ Sie war bereits tot, bevor sie im Fluss landete. Ich konnte in ihren Lungen kein Wasser finden. Weiterhin gehe ich davon aus, dass jemand sie entkleidet hat, bevor derjenige sie auf diese Weise entsorgte. Manchmal verlieren Wasserleichen zwar ihre Kleider, dafür müssen sie jedoch sehr lange im Wasser treiben, was diese hier nicht tat. Kleidungsreste konnten wir ebenfalls nicht finden und sie hatte auch nahezu keine äußeren Verletzungen.“ Pohl legte eine schöpferische Pause ein, schob seine Nickelbrille nach oben und schaute sie durch die runden Gläser ernst an.
    „ Kurz bevor sie starb, muss sie ein Kind auf die Welt gebracht haben.“
    Katharina entfuhr ein kurzer Laut und auch Thomas schnappte nach Luft.
    „ Ihre Gebärmutter war groß und aufgelockert. Zudem befand sich ein Teil der Plazenta noch in ihrem Inneren. Der Mutterkuchen hatte sich nach der Geburt nicht vollständig gelöst.“
    „ Mist. Das wirft noch mehr Fragen auf. Wer bringt denn eine Frau unmittelbar nach der Geburt um? Wo ist das Baby? Und … “ Katharina unterbrach sich, da sich etwas in ihrem Gehirn versuchte, ins Bewusstsein zu drängen.
    „ Und was?“ Thomas warf ihr einen fragenden Blick zu. Die
    Idee, die eben dabei war, Gestalt anzunehmen, platzte wie eine Seifenblase. „ Nichts und“, antwortete Katharina derartig verärgert, dass Thomas leicht zusammenzuckte. „Du hast eben meinen Einfall vertrieben . “
    „ War nicht meine Absicht“, erwiderte Thomas.
    „ Wenn ich Sie beide unterbrechen darf … “, warf Pohl ein und hatte sofort die volle Aufmerksamkeit. „Das nächste Interessante ist, das s sich an ihren Armen mehrere Verletz ungen befinden, wie sie typisch sind nach Einstichen in eine Vene.“
    „ Das wirft noch mehr Fragen auf“, meinte Thomas ernst. „Schließen S ie deshalb die toxikologischen Untersuchungen an?“
    „ Ich hätte es eh angeordnet. Aber die Einstichstellen sind hochgradig verdächtig. Wenn man ihr etwas gespritzt hat, finden wir vielleicht heraus, was es war.“
    „ Gift?“, fragte Katharina.
    „ Im weitesten Sinne des Wortes: Ja. Denn wie schon Paracelsus sagte: Jedes Ding ist ein Gift, und nichts ist ohne Gift. Allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift sei .“ Pohl räusperte sich und schob seine Brille hoch. „Primär suchen wir nach Stoffen und auch nach Medika menten, von denen wir wissen, dass sie in ausreichender Dosierung tödlich sein können.“
    Katharina nickte. Sie dachte sofort an Digitalis, das Gift
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