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Roxelane

Titel: Roxelane
Autoren: Johannes Tralow
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Tatarenpferden wie eine gepflegte Dame unter ungewaschenen Stallmägden ausnahm, hing ein stolzer Roßschweif über die Brust. Sattel und Zaumzeug waren reich mit Seide und Metall eingelegt. Der rote Kaftan des Ritters legte sich beim Reiten unten weit auseinander und gab die blauen Hosen über den juchtenen Stiefeln frei. Am vergoldeten Helm mit Schirm, Nasenstange und Nackenschutz stak vorn ein steiler, abgestufter Federstutzen in dreifacher Höhe des Helms.
    Die Knechte dieses Mannes trugen sich nicht viel einfacher.
    Aber daß ein Bey dessen Begleitung und Führung übernommen hatte, galt dennoch mehr der Botschaft als dem Kurier oder gar dem Empfänger, der bei dem Raubgesindel der Kosaken auf einer Insel im Dnepr lebte und dort auch nur ein kleiner Pope war.
    Man hatte sich in der Tatarei an Vorsicht gewöhnt.
    Der letzte Khan aus Dschingis’ Haus hatte durch einige lose Reden über Rustem Pascha die Herrschaft verloren und lag jetzt dafür zu Saladschik unter dem Grabdom der Krimkhane. Der regierende Khan war nicht ungelehrig, und er hätte den Muteferrika Kubad mit einem Heer von vierzigtausend Reitern in höchsteigener Person nach Chortiza gebracht, wenn er hätte fürchten müssen, daß der Kurier sonst nicht mit Sicherheit dahin gelangte.
    Denn Kubad war kein gewöhnlicher Kurier mit irgendeinem Pfortenbefehl. Er war der Träger eines Edlen Befehls Ihrer Majestät der Kaiserin selbst.
    Vater Serafim hatte es im Laufe der Jahre zu etwas gebracht, worauf er sehr stolz war.
    Neben seiner Hütte erhob sich jetzt eine Kirche.
    Sie war zwar nur aus Treibholz, und der Glockenturm war nicht viel mehr als eine kleine wackelige Spitze, aus deren Schallöchern es zum Gottesdienst rief, wenn der Vater an einem Seil zog.
    Gewissermaßen war Vater Serafim auf diese Weise ein Herrscher auf Chortiza: Wenn er am Seil zog, kamen die Menschen.
    Das Geläut freilich klang nicht sehr rein. Von ihrer griechischen und genuesischen Zeit hatten die Seestädte der Krim nämlich noch die
    Gepflogenheit beibehalten, statt der türkischen Trommeln Glocken auf ihren Schiffen zu verwenden. Vater Serafims Geläut bestand nun aus solchen Glocken, und natürlich hatte man sie sich nicht aussuchen können, sondern sie nehmen müssen, wie einem die Schiffe gerade passend zu einem Überfall über den Weg gelaufen waren. Aber die fehlende Harmonie ersetzte der gute Wille. Und wenn das Gebimmel über Chortiza wehte, sagten die Frauen zu ihren Kindern und, falls ihre Männer da waren, auch zu ihren Männern: „Es ist Zeit. Vater Serafim läutet. Aber natürlich: Wenn man nicht auf euch aufpaßte, würdet ihr herumlaufen wie die Heiden!“
    Augenblicklich aß Vater Serafim freilich ein Stück Brot mit Zwiebeln und Ziegenkäse. Er hatte lange nicht so üppig gegessen, und dicker war er daher auch nicht geworden, eher dünner. Seine Haare waren jedenfalls dünner als einst, und sie waren auch nicht mehr dunkel, sondern grau.
    Seine Augen jedoch hatten trotz Falten und Ergrauen noch immer den alten kindlichen Glanz. Auch hielt er es für ganz in der Ordnung, daß die Katzenmutter ihre spielenden Kinder verließ und sich an seiner Kutte hochhakelte. Es trieb sie in die Nähe des Käses, der als ein Milchiges ihre Begierde erweckt hatte. Serafim teilte denn auch mit ihr. Nur von der Zwiebel bekam sie nichts, weil sie Zwiebeln nicht mochte. Und das schien Serafim einer der wenigen Unterschiede zu sein, die zwischen ihm und der Katze bestanden.
    Aus diesem Grunde hatte man es auf Chortiza überhaupt nicht leicht mit den Katzen. Immer neue gab es, und da Serafim traurig wurde, wenn man vom Ertränken sprach, wußten die Frauen bald nicht mehr, wohin damit. Er aber sagte nur: „Annuschka - oder Marinka - oder Jelena, sieh doch, wie niedlich, das Kätzchen, und da ich dein gutes Herz kenne, gebe ich dir das Tierchen. Nimm es hin und habe es lieb.“
    Wer konnte ihm widerstehen, wenn er so sprach? - Niemand konnte ihm dann widerstehen!
    Serafim wollte sich erheben. Gerade nur die Krumen sammelte er noch aus seinem Kleid, um sie den Vögeln hinzustreuen. Dafür hatte er einen besonderen Platz, den die Katzen nicht erreichen konnten.
    Doch nun stürzte Pjotr Elgatin plötzlich herein, und allein war er auch nicht.
    Der krummbeinige Pjotr war nämlich augenblicklich der Kurenoi von Chortiza, was allerdings nicht viel besagen wollte. Denn die Boulawa des Kotschewoi trug der lange Igor, und der war mit den Männern unterwegs. So folgten dem Pjotr denn zumeist
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